■ Der Päderast bleibt nicht mehr lange Kardinal
: Bauernopfer Groer

Roma locuta, causa finita. Überraschend schnell hat der Vatikan im Fall Hans Hermann Groer reagiert. Zweieinhalb Wochen nachdem erstmals ein Exzögling den Wiener Erzbischof des sexuellen Mißbrauchs bezichtigte und immer mehr einstige Knabenseminaristen die pädophilen Neigungen des Kardinals bestätigten, wurde in Rom gehandelt: Der Erzbischof wird in Etappen aus dem Verkehr gezogen.

Mit dem Wiener Weihbischof Christoph Schönborn wird ihm nun ein „Koadjutor“ zur Seite gestellt. Schönborn, ein habituell liberaler, theologisch aber konservativer Mann, ist damit als Nachfolger des verirrten Hirten designiert. Groer bleibt eine Schamfrist – doch der Zeitpunkt ist absehbar, an dem der Kirchenfürst ins Kloster abgeschoben wird. Die Krise, die in Österreich bereits als die dramatischste in der Geschichte der Nachkriegskirche gilt, ist vorerst also ausgestanden. Groers Amtsvorgänger, der weltläufige Kardinal Franz König, sprach euphorisch gar „vom Ende des langen Karfreitags“.

Dieser Trauertag für die Kirche währte freilich nicht bloß die drei Wochen, die Groer im Gerede war. Zumindest in den vergangenen zehn Jahren galt für die Kirche: Jeder Tag ist Karfreitag. Denn nachdem Rom den beliebten Kirchenmann König durch den Sonderling Groer ersetzt hatte und wichtige Diözesen in die Hände fundamentalistischer Gottesmänner geraten waren, war die römische Kirche zu einem zwar verschworenen, aber stetig schrumpfenden Haufen geworden. Das agnostische, liberale Österreich sah's mit gemischten Gefühlen. Die Kirche, die mit Feuer und Schwert einst als Bollwerk der Gegenreformation errichtet worden war und sich auch in diesem Jahrhundert zum Schaden der Menschen in die Politik mengte, verlor zunehmend die Oberhoheit über die Hirne und Herzen. Die Krise des integralen Katholizismus eröffnete dem Land auch eine Chance. Andererseits aber blieb die Kirche trotz der Krise ein Machtzentrum, zog ihre Fäden, plazierte ihre Leute an einflußreichen Stellen. Zwar konnte sie Politik und Kultur nicht mehr bestimmen, aber stören konnte sie – und das tat sie, reaktionärer geworden, mit einigem Erfolg.

Nach dem Karfreitag, dem Trauertag also, soll nun – entsprechend dem Osterbrauch – die Auferstehung folgen. Das mag manche wärmen, doch es sollte nicht vergessen werden, daß eine handlungsfähige Kirche auch ihre Schatten auf die politische Kultur des mäßig säkularisierten Landes werfen würde.

Mit Groer zieht Rom einen nutzlos gewordenen Bauern vom Feld. Doch das Ende der Partie ist damit noch lange nicht erreicht. Robert Misik