Durchs Dröhnland
: Wunderbar geklaut

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Weil einiges der besten Musik und viele der besten B-Pictures in den 60ern enstanden, meinen viele 60s-Revivalisten, daß sie sich in kosmonautige Anzüge stecken müßten. So auch die Popnauts, die sich gründeten in einer Bonner Badewanne – so geht jedenfalls die selbstverfaßte Legende des Trios. Musikalisch werden die Monkeys reklamiert, aber auch Velvet Underground, wenn auch diese bei ihnen nicht zu hören sind. Der „Teen-Spirit“, den sie sich andichten, ist zwar vielleicht eher ein Kinder-Spirit, aber irgendwie doch vorhanden.

Heute, 22 Uhr, Niagara, Gneisenaustraße 61, Kreuzberg, und am 9. 4., 1 Uhr früh, Café Swing, Nollendorfplatz, Schöneberg

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Immer noch paßt der fiese Noise von Guzzard nicht ins frisch-fromm-fröhliche Punk- Revival, weil ihr Quietschen viel zu böse ist. Und immer noch weiß man nicht so recht, ob es so was nicht in jedem gut verrotteten Keller zu besichtigen gibt oder ob das Trio aus Minneapolis vielleicht doch irgendwas Neues zu bieten hat. Ihr gemeines Schaben innerhalb einer klassischen Punkstruktur sucht auf jeden Fall seinesgleichen.

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder 224, Prenzlauer Berg

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Auf der Bühne steht zwar nur ein Duo, aber eigentlich sind Double Nelson ein Trio. Denn während Pascal und Cathy auf der Bühne den Instrumenten Töne entlocken, für die diese eigentlich nicht gebaut worden sind, steht Yves am Mischpult, wo er den Sampler bedient und allerlei Tapes und Schleifen einspielt, die aus einer radikalen Punkband ein multiethnisches Hörerlebnis, eine rhythmische Sensation, ein Art-Projekt oder auch einfach eine überaus lustige Kapelle machen.

Morgen, 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

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Irgendwoher hat der strenggläubige Metaller einen Hang zu Massenaufläufen, und das ist nicht nur bei der Gewerkschaft so. Und nicht nur Metal-Publikum, auch die Bands rotten sich gleich gerne rudelhaft an ein und demselben Abend zusammen. Headliner diesmal sind Deicide, das sind diese Bekloppten, bei denen sich der Sänger ein umgedrehtes Kreuz (Obacht! Satanismus!) in die Stirn hat einbrennen lassen, jawohl: einbrennen. Kataklysm kommen aus Kanada und wechseln gerne abrupt zwischen krankhaft schnellen Grindcore- Elementen und böse dräuenden Death-Metal-Passagen. Der Sänger hat wohl eine Packung Tampons verschluckt. Etwas abgehackter, ansonsten identisch klingen Sinister. Im Gegensatz dazu haben Brutal Truth aus New York wohl wenigstens einen Masterplan. Wesentlich strukturierter und mit Hardcore-Elementen kommt ihr Death daher. Der Sänger glänzt ebenfalls mit einem Reval-Rachenkattarh. Noch dabei Fleshcrawl und Cathedral.

Morgen, 20 Uhr, Huxley's, Hasenheide 108-114, Neukölln

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Helmut Hattler war mal Bassist und Chef von Kraan. Jetzt, wo der Krautrock plötzlich in England und anderswo als großer Einfluß wieder rehabilitiert wird, fällt der Blick auch wieder auf den Jazz-Rocker aus Ulm. Ehemaligen Jazzrocker. Denn was Hattler mit seinem Partner Joo Kraus als Tab Two veranstaltet, hat den Rock weit hinter sich gelassen und dafür den HipHop entdeckt. Tab Two produzieren einen smoothen, überaus beherrschten JazzHop, der nie die Contenance verliert, aber leider auch glatt und seelenlos ohne hängenzubleiben von Ohr zu Ohr rauscht. Taugt trotzdem jederzeit, um entspannt den Arsch zu wiegen.

Am 11. 4., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

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Am Anfang war es nur einfach schön, Moe Tucker wiederzusehen. Dummerweise ließ sie sich zuerst von Jad Fair und seinen 1/2 Japanese als Begleitband kaputtschrammeln. Die ehemalige Velvet-Schlagzeugerin und Mutter von diversen Kindern hatte nach ihrer jahrzehntelangen Familienpause wahrlich einfühlsameres verdient. Danach folgten noch einige uninspirierte Solo-Platten und jetzt „Dogs Under Stress“, das einfach wundervoll geworden ist. Die Songs sind ähnlich jenen Kinderliedern, die sie schon zu Velvet-Zeiten sang, aber doch ein ganzes Stück erwachsener, wenn auch nicht zu sehr. Tatsächlich ist es nicht mehr als ein überaus freundlich gestimmter Rock, der sich niemals nicht überanstrengt, der aber dafür wundervoll von der Reife erzählt, die nichts mehr wollen muß, ohne dabei auch nur einen Moment alt und grau zu wirken.

Am 12. 4., 21 Uhr, Knaack

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Ein großer Rülps, ein einziges Grunzen, irgendwie dadaistische Lautmalerei korrespondiert auch bei Extreme Noise Terror ganz vorzüglich mit dem abgehackten Grindcore-Geboller. In dem Mansch sind nur selten Riffs zu erkennen, wobei die Engländer, die – wie fast jede Band aus der einschlägigen Szene – auch ein Ex-Mitglied von Napalm Death stolz ihr eigen nennen dürfen, sich immerhin noch hörbar dem Einfluß Hardcore verbunden fühlen.

Am 13. 4., 20 Uhr, Trash, Oranienstraße, Kreuzberg

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Chuck Mosley war mal Sänger bei Faith No More, bevor sie ihn rausschmissen und den hübscheren Michael Patton und damit den Erfolg engagierten. Danach half er mal bei den Bad Brains aus, und jetzt geht er als Cement. Und die sind nicht mehr als eine der besten Hardcore-Bands, die dieser Planet momentan zu bieten hat. Das vor allem, weil sie sich nicht mit dem üblichen Gestampfe zufriedengeben, keine Berührungsängste mit Folk, Blues, Rock und selbst Pop haben, ohne dabei je ins Crossovern um jeden Preis zu verfallen. Die Ideen sind dezent geklaut und passen so zusammen, als seien sie organisch gewachsen. Schlicht eine sehr gute Band.

Am 13. 4. um 21 Uhr im Knaack

Thomas Winkler