Zwiespältiges Ergebnis

■ Human Rights Watch: Weniger Gewalt, mehr Beleidigungen gegen Ausländer

Bonn (taz) – Die gute Nachricht zuerst: Die kriminelle Gewalt gegen Ausländer in Deutschland ist geringer geworden. Die schlechte Nachricht: Diskriminierung im Alltag, Beleidigungen und Demütigungen werden häufiger. Beides hat die führende US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch festgestellt. In Bonn veröffentlichte die Organisation gestern ihren zweiten Bericht über die Lage der Menschenrechte in der Bundesrepublik.

Aus den ersten elf Monaten von 1994 seien 1.233 rassistisch motivierte Gewaltakte bekanntgeworden, sagte der Direktor von Human Rights Watch, Kenneth Roth. Im Jahr davor seien es noch 2.232 gewesen, 1992 gar 2.639. Die relativ niedrigere Zahl des vergangenen Jahres liege aber immer noch um vierhundert Prozent über dem Wert vor der deutschen Einheit. Und es sei außerdem zu befürchten, so Roth, daß nicht alle Übergriffe gemeldet worden seien. Den Gesprächen zufolge lägen die Gründe dafür vor allem bei der Polizei.

Viele Opfer scheuten eine Anzeige – entweder, weil sie eine Anzeige für sinnlos hielten, oder aber, weil sie Angst vor Übergriffen der Polizei hätten. Die Brutalität der deutschen Polizei gegen Ausländer nehme erkennbar zu. Roth: „Wir haben zahlreiche Zeugenaussagen darüber, daß die Polizei nach Angriffen auf Ausländer nicht die Täter, sondern die Opfer abführte, sie schlug oder auf andere Art demütigte.“

Human Rights Watch macht vor allem Regierung und Behörden für gewalttätige wie nichtkriminelle Akte von Fremdenhaß verantwortlich: „Unsere Erfahrungen in aller Welt zeigen, daß der Schlüssel, durch den Ressentiments zu Haß und Gewalt werden, das Handeln der Regierungen ist“, sagte Roth. In Deutschland kritisiere man das „äußerst restriktive Einbürgerungsrecht“ und die Einschränkungen des Asylrechts.

Nötig sei eine „Kampagne gegen Intoleranz“. Daß die Zahl der Übergriffe gegen Juden in Deutschland um 60 Prozent gestiegen sei und auch die Attacken gegen Homosexuelle und Behinderte deutlich zunähmen, zeige, „daß es nicht die Gegenwart von Fremden ist, die zur Gewalt führt, sondern Intoleranz. Auch da, wo es keine Fremden mehr gibt, wird sich diese Intoleranz ihre Opfer suchen.“ Andrea Dernbach