Wahlen ohne die Islamisten?

■ Militärische Erfolge gegen islamistische Gruppen stärken das Regime / Der fragile Konsens der Opposition zerbröckelt

Mit großer Skepsis erwarten die AlgerierInnen die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Staatspräsident Liamine Zeroual und Vertretern der größten legalen Oppositionsparteien des Landes. Am Wochenende erklärten Vertreter der ehemaligen Einheitspartei „Nationale Befreiungsfront“ (FLN) und „Front der sozialistischen Kräfte“ (FFS) ihre Verhandlungsbereitschaft mit dem Regime. Bereits am Sonntag traf sich der Generalsekretär der FLN Abdulhamid Mehri mit Zeroual. Die FFS-Führung wird am kommenden Wochenende im Präsidentenpalast erwartet.

Die beiden Parteien scheren damit aus einem im Januar in Rom geschlossenen Pakt der algerischen Opposition aus. Damals hatten die wichtigsten Oppositionsgruppen dem Regime einen Dialog angeboten, vorausgesetzt, die verbotene „Islamische Heilsfront“ (FIS) werde daran beteiligt.

Eine solche Beteiligung lehnt das Regime offiziell ab. Anfang des Jahres hatte der von Militärs eingesetzte Zeroual erklärt, der Dialog mit den inhaftierten Führern der FIS, Abbas Maddani und Ali Belhadsch, sei gescheitert. Die kurzfristig aus dem Gefängnis entlassenen und unter Hausarrest gestellten FIS-Vordenker wurden wieder an ihren ursprünglichen Haftort geschafft.

In Rom hatten FIS, FLN, FFS und fünf weitere Gruppen einen „Nationalen Vertrag“ geschlossen. Sie bekannten ihre Dialogbereitschaft, verurteilten Gewalt als Mittel, um an die Macht zu kommen oder diese zu behalten. Ein Machtwechsel müsse über demokratische Wahlen zustande kommen. Für die FIS bedeutete die Zustimmung zu dem Pakt die weitreichendsten Zugeständnisse. Angeblich hatten Maddani und Belhadsch persönlich zugestimmt.

Das algerische Regime reagierte zuerst mit krasser Ablehnung auf das Angebot aus Rom. Die Regierung warf der Opposition vor, Ausländer würden ihre Politik bestimmen. In Algier organisierte das Regime Demonstrationen gegen die Opposition.

In den Wochen danach erzielten die Truppen des Regimes erhebliche militärische Erfolge, vor allem gegen die mit der FIS rivalisierende „Bewaffnete Islamische Gruppe“ (GIA). In einigen Städten wurden mehrere Zellen der militanten Islamisten zerschlagen. In den Bergen um die Hauptstadt setzte das Militär im März die Luftwaffe und schwere Artillerie ein, um Lager der GIA zu bombardieren. Laut algerischen Zeitungen sollen dabei bis zu 2.800 Menschen getötet worden sein, darunter zahlreiche Befehlshaber der GIA. Stolz verkündeten algerische Generäle, die GIA sei vernichtet.

Parallel äußerten sich Regimevertreter wohlwollender zu einigen der in Rom beschlossenen Punkte. Der Vertrag der Oppositionsgruppen enthalte „einiges Positive“, erklärte Außenminister Dambari unlängst. Und auch von der Opposition kamen Signale der Annäherung. „Wir sind bereit, über alle Vorschläge, die das Regime auf den Tisch legt, zu verhandeln“, erklärte FFS-Chef Mohamed Bouhadef. Als weitestreichende Konzession bietet Zeroual derzeit Präsidentschaftswahlen noch vor Jahresende an. Von einer Beteiligung der FIS redet er nicht. Die aber forderte gestern auch wieder der FLN-Generalsekretär Mehri: „Ohne Beteiligung der FIS wird es keine Lösung der Krise in Algerien geben.“