Nazis rufen zum „Volkskrieg“ auf

■ Mehrere hundert Exemplare einer anonymen rechtsradikalen Kampfschrift wurden bundesweit verschickt

Siegburg (taz) – In einer bundesweit verschickten antisemitischen Broschüre mit dem Titel „Deutsches Manifest“ machen Neonazis seit einigen Tagen Front gegen in Deutschland lebende ausländische und jüdische Bürger sowie „deutsche Volksverräter“. Die Hetzschrift ruft für Dienstag, 9. Mai, ab null Uhr zum „heiligen Volkskrieg zur Befreiung Deutschlands“ und zum „bewaffneten Kampf“ auf.

Neben vielen anderen erhielten der Ausländerbeauftragte der Stadt Hamburg, Bundestagsabgeordnete von SPD und PDS sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, das „Manifest“ vor gut zehn Tagen per Post. „Ich bekomme solche neonazistischen Pamphlete täglich“, zeigte sich Ignatz Bubis, der umgehend Anzeige erstattete, über den aggressiven Inhalt der Broschüre wenig überrascht. Auch zahlreiche Privatpersonen in ganz Deutschland fanden die Kampfschrift in ihren Briefkästen. „Schockiert über diesen dreisten und drastischen Text, aber vor allem entsetzt, daß ich auf solch einer Adressenliste draufstehe“ war ein Greenpeace-Aktivist aus Bonn. Da das Manifest noch an seine alte Wohnung geschickt wurde, vermutete der verängstigte Mann, daß „die Adressen der Empfänger von einem Zeitschriftenverlag gekauft wurden. Bei dem habe ich mich erst kürzlich umgemeldet.“ Bundesweit wurden schon Dutzende Anzeigen erstattet. Wie aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz zu hören war, sind „mehrere hundert“ Broschüren verschickt worden. Allein in Berlin wurden 80 Fälle bekannt.

Die laut Poststempel in Nürnberg und Fürth aufgegebenen Sendungen tragen fingierte Absenderangaben eines Nürnberger Verlages und einer „Gesellschaft für Deutsches Volkstum“ in Berlin. Die angegebene Berliner Adresse bezeichnet ein Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde. Nach Aussagen von Norbert Golsong, Pressesprecher der Essener Staatsanwaltschaft, die das Sammel-Ermittlungsverfahren führt, wird gegen „einen Dietrich G. aus dem Großraum Essen“ ermittelt. Der Mann sei „einschlägig“ bekannt. Bei einer Hausdurchsuchung habe man neben anderen rechtsextremistischen Materialien auch zwei der Manifeste gefunden. „Nach unserer Kenntnis hat er die versendeten Broschüren inhaltlich und sprachlich überarbeitet“, erklärte Golsong. Die Staatsanwaltschaft geht von mehreren Tätern aus. Damit dürfte sie angesichts des Umfangs der Broschüre nicht falschliegen. Angaben dazu, ob hinter Produktion und Verbreitung der Schrift eine bestimmte rechtsextremistische Organisation steckt, machte die Behörde nicht. Martin Völpel