Hohe Strafen gefordert

Im Prozeß um den Brandanschlag auf die Lübecker Synagoge hielt der Bundesanwalt sein Plädoyer  ■ Von Kersten Kampen

Schleswig (taz) – Haftstrafen zwischen sechs Jahren und vier Jahren und sechs Monaten hat die Bundesanwaltschaft am Freitag für die vier mutmaßlichen Täter des Brandanschlages auf die Lübecker Synagoge gefordert.

Ein Jahr nach dem Anschlag auf das jüdische Gotteshaus am 25. März vergangenen Jahres befand Oberstaatsanwalt Klaus Pflieger in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht in Schleswig drei der Angeklagten des versuchten Mordes in fünf Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung für schuldig und den vierten Angeklagten, Dirk B., der Beihilfe an schwerer Brandstiftung.

Die Vertreter der Bundesanwaltschaft sahen es als erwiesen an, daß Nico T., Boris H.-M. und Stephan Marcus W. aus einer rechtsradikalen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Grundhaltung heraus gehandelt und dabei billigend in Kauf genommen haben, daß Menschen in dem Gebäude wohnten und hätten verletzt werden können. In den Räumen über der Synagoge hielten sich zum fraglichen Zeitpunkt fünf Menschen auf, die sich unverletzt retten konnten.

Da es bei dem Brandanschlag auf die Synagoge weder Tatzeugen noch objektive Beweismittel gegeben habe, komme den Geständnissen der Angeklagten die entscheidende Bedeutung in dem Verfahren zu, erklärte Oberstaatsanwalt Günter Möller. „Wir müssen alle dafür sorgen, daß Lübeck nicht zu einem Synonym für eine neue Judenverfolgung in Deutschland wird“, sagte Pflieger zu Beginn seines Plädoyers. Die vier Angeklagten hätten schließlich kein „x-beliebiges Haus“ angezündet, sagte Pflieger. Er wies jedoch auch daraufhin, daß es falsch wäre, an den Angeklagten ein Exempel in Sachen Vergangenheitsbewältigung zu statuieren.

Klaus Pflieger beantragte für den 25jährigen Stephan Marcus W. eine Haftstrafe von sechs Jahren, für den 20jährigen Nico T. eine Jugendstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Für den ebenfalls 20jährigen Boris H.-M. forderte der Bundesanwalt eine Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Für den 22jährigen Dirk B. beantragte Pflieger wegen Beihilfe an dem Tatbestand der schweren Brandstiftung eine Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Anders als bei den drei Mitangeklagten wußte der 22jährige offensichtlich, daß es sich bei dem Gebäude um eine Synagoge handelte. Aber es sei möglich, daß er aufgrund der Annahme, es habe sich um ein Gotteshaus gehandelt, nicht gewußt habe, daß in dem Haus Menschen wohnen, erklärte Klaus Pflieger weiter in seinem Plädoyer.

Bei den anderen drei Angeklagten, die während der Verhandlung das jüdische Gotteshaus als Judenschule, Museum und „normales Haus“ bezeichnet hatten, gehe die Bundesanwaltschaft davon aus, daß es aus der Sicht der Angeklagten möglich war, daß das Gebäude bewohnt war. „Es war ihnen gleichgültig“, meinte Pflieger. Zugunsten der Angeklagten wertete die Bundesanwaltschaft bei der Berechnung des Strafmaßes in ihrem Plädoyer neben ihren persönlichen Schwierigkeiten auch, daß bei dem Anschlag kein Mensch verletzt wurde und der Schaden sich mit 160.000 Mark auch „in Grenzen“ hielt.

Die Plädoyers der Verteidiger sollen am 10. April gehalten werden. Das Urteil wird voraussichtlich noch vor Ostern gesprochen.