Slowakische Atomspiele

■ Präsident Meciar setzt die Osteuropabank unter Druck: Sie soll das AKW Mochovce ohne Bedingungen finanzieren, sonst bauen es die Russen zu Ende

Berlin/Paris (taz) – Noch in der letzten Woche hatte Vladimir Meciar den Siemens-Konzern besucht. In gepflegter Atmosphäre versicherte der Präsident der Slowakei, daß er das Projekt Mochovce mit unter Leitung der französischen Staatsfirma „Eléctricité de France“ (EdF) und mit einem Kredit der Osteuropabank (EBRD) zu Ende bringen wolle. An diesem Willen hatte niemand gezweifelt, am wenigsten die protestierenden Umweltschutzorganisationen und die österreichische Regierung, die deswegen damit drohte, ihr Kapital aus der Osteuropabank zurückzuziehen.

Seit zwei Tagen klingt es aus Bratislava jedoch ganz anders. Meciar ließ verlauten, seine Regierung sei nicht bereit, für das westlich nachgerüstete Atomkraftwerk die slowakischen Strompreise um 29 Prozent zu erhöhen. Tatsächlich war eine solche „Marktanpassung“ in den Finanzierungsmodellen vereinbart worden. Etwa 400 Millionen Mark will die EBRD dem Projekt zuschießen, dessen Kosten auf über eine Milliarde Mark geschätzt werden. Der Kredit sollte mit Stromlieferungen an die EdF zurückbezahlt werden. Zu teuer, sagt Meciar jetzt, das unvollendete Atomkraftwerk könne mit russischen Krediten um etwa dreißig Prozent billiger fertiggestellt werden. Die Ingenieurfirma Skoda in Prag sei bereit, die nötigen Arbeiten auszuführen.

Konfusion in der Pariser Zentrale der EdF. Auch sie erfuhr erst aus den Medien von dem angeblichen Rückzug der Slowakei. „Da wird alles und nichts berichtet, Gerüchte und Gegengerüchte“, sagt Yves Morat von der internationalen Abteilung der EdF. Vor „ganz kurzer Zeit“ habe auch sein Unternehmen mit der slowakischen Regierung verhandelt.

Doch Meciar pokert hoch, um das Projekt gegen die Kritik durchzusetzen, die auch innerhalb der Osteuropabank laut geworden ist. Die zahlreichen Vorleistungen, Studien und Gespräche über eine „Verbesserung der nuklearen Sicherheit“ ließen vermuten, daß die Zusammenarbeit weiterginge, sagte ein anderer EdF-Sprecher der taz. Zumal eine Beteiligung der Russen immer als „wünschenswert“ angesehen worden sei. Am Donnerstag hatte der Direktor der EdF, Gilles Menage, in einem Interview aus Anlaß des neunten Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe vor der „Unfähigkeit und Langsamkeit Westeuropas“ gewarnt. Er verwies auf die „amerikanische Konkurrenz“. Ein Scheitern des Projekts in Mochovce werde außerdem „sehr schwerwiegende Konsequenzen für eine künftige Zusammenarbeit auch mit der Ukraine und Rußland haben“. Ein anderer EdF-Manager, der Chef der internationalen Abteilung, Jean-Michel Fauve, geht noch weiter: Wenn die Unfähigkeit zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von atomaren Risiken anhalte, könnte das dazu führen, daß es „eines Tages nur noch die Möglichkeit der direkten Einmischung gibt“. Niklaus Hablützel/Dorothea Hahn