Schwere Vorwürfe gegen Aristide
■ Haitis Präsident soll von geplanter Ermordung der Oppositionspolitikerin Bertin im voraus gewußt haben
Port-au-Prince (AP) – Der haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide wußte schon eine Woche vor der Ermordung der rechtsgerichteten Oppositionspolitikerin Mireille Durocher Bertin, daß diese auf einer Todesliste von Verschwörern stand. Wie am Donnerstag aus Diplomatenkreisen in der haitianischen Hauptstadt verlautete, war Aristide auch über die mögliche Verwicklung seines Innenministers Mondesir Beaubrun in das Komplott informiert. Frau Bertin, eine Kritikerin Aristides, war am Dienstag auf offener Straße erschossen worden.
Der Befehlshaber der multinationalen Friedenstruppe in Haiti, US-Generalmajor George Fischer, setzte Aristide den Angaben der Diplomaten zufolge in der vergangenen Woche von der Verschwörung in Kenntnis. Wie der Sprecher der US-Botschaft in Port-au- Prince, Stan Schrager, mitteilte, lag dem Präsidenten und Justizminister Jean-Joseph Exume eine Liste mit Namen der mutmaßlichen Verschwörer und der möglichen Opfer vor. Auch Frau Bertin war dort aufgeführt. Nach Angaben des Justizministeriums wurde die Anwältin darüber informiert, sie lehnte aber Polizeischutz ab. Ihrem Mann Jean Bertin zufolge wurde ein solche Warnung nie ausgesprochen.
Wie Diplomaten weiter angaben, nahmen Soldaten der Friedenstruppe bereits am 19. März fünf Personen fest, die an dem Mordkomplott beteiligt gewesen sein sollen. Fischer hat Aristide den Angaben zufolge geschrieben, daß einer der Festgenommenen vom Innenminister bezahlt wurde. Der US-Fernsehsender CNN will erfahren haben, daß zwei Männer aus der Gruppe einen Wagen fuhren, der auf das Innenministerium zugelassen war. Ein ranghoher Beamter der US-Regierung bestätigte am Donnerstag, daß gegen Minister Beaubrun ein Verdacht vorliege.
Am Freitag wollte Präsident Aristide mit US-Präsident Bill Clinton und UN-Generalsekretär Butros-Ghali zusammentreffen, um die Übergabe des Kommandos der Friedenstruppe von den USA an die Vereinten Nationen zu besiegeln. Butros-Ghali war bereits einen Tag zuvor in Port-au-Prince eingetroffen.
