Sanssouci
: Vorschlag

■ Gelesener Geschlechter- kampf: „Ella und El“ im BE

Eine Frau und ein Mann, Ella und El, liefern sich als Stellvertreter ihrer Gattung ein uraltes Gefecht: Geschlechterkampf. Chris Ohnemus, eine 31jährige Germanistin, stellt ihren ersten Theatertext im Rahmen der Reihe Junge AutorInnen vor, die von der Dramaturgischen Gesellschaft und dem Berliner Ensemble bis Oktober 95 veranstaltet wird. Die SchauspielerInnen Simone Frost und Axel Werner geben den Text als Lesung.

Bühnenort ist eine schmale Sackgasse vor orangener Nacht, rechts eine Nische, links ein Spalt in der Wand, durch den der Käufer zur Ware schlüpft. Denn es geht ums Geschäft. Die vornächtliche Stunde läßt in der zweiten Szene die schwirrenden Männer und lockenden Frauen aufeinander los. Die Jagd beginnt. Sie muß schnell gehen, denn „die zeit läuft gegen die blumen“, so El. Gegen die sich öffnenden Kelchfrauen also. Aha, dem Welken des Weibes muß also durch schnellen Vollzug der Paarung entgegengewirkt werden. So beschworen passiert es: Ella und El, die gut geschminkte Blondine und der Auslaufmodell-Mann, ergeben sich dieser Zwangslage. Aber das Duell der Körper erzeugt einen faden Nachgeschmack – und es folgt das Duell der Köpfe.

Lange überläßt die Autorin ihre Figuren einer Ich-Versponnenheit, führt sie vor als getriebene Einzelne. Sie verharrt dabei jedoch in Klischees: Die Frau lockt, girrt und flirrt, der Mann geht in die Falle. Beide wissen zwar darum und sehnen sich den Stillstand der Triebe, den dauernden Landgang des Mann-Matrosen, herbei, aber dabei bleibt es dann auch. Ohnemus bestätigt hiermit die Rollenverteilung, die spätestens seit '68 als Feindbild emanzipatorischer Bestrebungen am Pranger steht. Ohne zu hinterfragen, führt sie das Opfer-Täter-Spiel in wechselnden Rollen vor. Das Begehren und der Blick des Mannes existieren noch im Denken der Frau. Es wird zwar weder ihm noch ihr der Sieg zugesprochen – „das feste bleibt fest. die flut bleibt nichts weiter als flut.“ – aber genau diese Dualisierung, die Frau als sich öffnende Blume, als flutendes Meer und der Mann als Käufer, Spieler und Matrose, ist peinlich. Ohnemus zeigt das, ohne es zu dementieren. Ihre Sprache hat keine Metaebene. Die anfänglichen, fast elegischen Monologe rhythmisieren sich gegen Ende zu stakkatohaften Aussagen. Die Aneinanderreihung von kurzen Aussagesätzen, auch in den monologischen Teilen, erzeugt Emotionslosigkeit. Die Figurensprache, ohne Füllsel der Alltagssprache, wird metaphorisch.

„...doch wann hat das alles ein ende“, fragt El. Vielleicht dann, wenn dem gelesenen Theaterstück ein ironischer Regisseur in die Quere kommt und das Stück über einen one night stand zum bösen Kommentar erhebt. Kirsten Longin

„Ella und El“. Lesung mit anschließender Diskussion. Probebühne des BE, Bertolt-Brecht-Platz, Mitte, heute, 19 Uhr