■ Mit Kubas Bauernmärkten auf du und du
: Für eine Handvoll Pesos

Berlin (taz) – Je leerer die Regale, desto bitterer die Witze. Kommt ein Kubaner zum Fleischer: „Haben Sie ein Rindersteak?“ „Nein.“ „Schweinekotelett?“ „Nein.“ „Geflügel, Pute, Ente?“ „Nein.“ „Hackfleisch, Buletten, Wurst?“ „Nein.“ Als der Mann frustiert den Laden verläßt, sagt der Fleischer: „Verrückt, der Kerl.“ Ein anderer neben ihm: „Ja, aber ein Gedächtnis hat der...“

Als die Regierung Castro vor einem halben Jahr wieder Bauernmärkte zuließ, standen die Kubaner staunend vor den aufgeschichteten Schweinehälften, den Bergen von Gemüse und den Kisten voller Mangos – Köstlichkeiten, die einer fernen Vergangenheit anzugehören schienen. Inzwischen ist die Sensation Alltag geworden. Die Märkte sind im ganzen Land fest etabliert. Auch Kubas unabhängige Bauern haben ihr anfängliches Mißtrauen überwunden. Einhellig wird bestätigt, daß sich die kritische Versorgungslage durch die Märkte spürbar verbessert hat.

Was nicht unbedingt heißt, daß sie jetzt gut ist. Nach wie vor bleibt das Angebot meilenweit hinter den Bedürfnissen der Bevölkerung zurück. Zwar zeichnet sich eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ab, doch nur in bescheidenem Ausmaß. Noch immer bestehen große Hindernisse für eine wirkliche Reaktivierung. Für die Pesos, die die Bauern verdienen, können sie weder Saatgut noch Düngemittel frei kaufen. Auch das für den Transport unerläßliche Benzin müssen sie sich nach wie vor auf dem Schwarzmarkt besorgen.

Psychologisch jedoch sind die Bauernmärkte ein Erfolg. Zwar sind die Preise auf den Märkten, gemessen an den Durchschnittsgehältern, nach wie vor atemberaubend hoch – so kosten vier Kilo Schweinefleisch den Monatslohn eines Stahlarbeiters oder Lehrers. Aber die Bauernmärkte sind billiger, als es vorher der Schwarzmarkt war. Und mögen die Waren noch so teuer sein – sie sind es in kubanischen Pesos und damit erreichbarer als in den Auslagen der Devisenshops. Die krasse Spaltung des Landes in zwei getrennte Welten, bitter als „Dollar-Apartheid“ bezeichnet, ist zumindest ein Stück zurückgedrängt.

Der Preis dafür ist, daß jetzt auch in der Peso-Welt das Geld zu regieren beginnt: Hatten die Kubaner vor einem halben Jahr noch massenhaft Pesos, mit denen sie nichts zu essen kaufen konnten, gibt es jetzt Essen zu kaufen, aber den Leuten gehen die Pesos aus. Bert Hoffmann