Sexuelle Belästigung im Parlament

■ Die Affäre um die New Yorker Filiale der Deutschen Zentrale für Tourismus beschäftigt heute auch den Bundestag

Genf (taz) – Mit der Affäre um die zu 85 Prozent aus Steuermitteln finanzierte Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT) und ihre New Yorker Filiale befaßt sich heute auch der Bundestag. Wie die taz berichtete, hatten mehrere MitarbeiterInnen der New Yorker DZT wegen sexueller Belästigung, Rassendiskriminierung und Verletzung der Aufsichtspflicht Klage gegen ihren ehemaligen Chef Henning Schreiber und den Frankfurter DZT-Vorstand erhoben. In seiner heutigen Fragestunde wird sich der Bundestag mit einer Anfrage der SPD-Abgeordneten Susanne Kastner zur DZT-Affäre befassen. Bereits gestern nachmittag war die DZT Thema im Ausschuß für Fremdenverkehr und Tourismus. Die Opposition verlangt auch Aufklärung darüber, warum das für die DZT verantwortliche Wirtschaftsministerium bislang untätig blieb, obwohl der dort zuständige Ministerialdirigent Geisendörfer seit langem genauestens über die DZT-internen Vorgänge informiert ist.

In einer schriftlichen Stellungnahme für den Tourismus-Ausschuß des Bundestages schreibt DZT-Vorstandsmitglied Günter Colonius (FDP), die in den taz-Artikeln vom 6.3. und 7.3. 1995 „aufgestellten Behauptungen“ seien „überwiegend falsch“. Durch Halbwahrheiten, das Verschweigen wichtiger Tatbestände und falsche Behauptungen versucht Colonius bei den Abgeordneten den Eindruck zu erwecken, die DZT habe „ihre Aufsichtspflicht nicht vernachlässigt, sondern unverzüglich im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Mittel gehandelt“.

Nachdem die New Yorker DZT-Mitarbeiterin Monique Schlein im Oktober 1993 Vorwürfe gegen ihren Filialchef Schreiber wegen sexueller Belästigung erhoben hatte, sei Schreiber „am 8.12. 1993 abgemahnt“ und schließlich „mit geringerer Vergütungsleistung nach Frankfurt zurückversetzt worden“. Tatsächlich wurde Schreiber vom DZT-Vorstand jedoch zunächst zum Leiter der Brüsseler DZT-Filiale ernannt. Erst am 29.9. 1994 verabschiedete man ihn dort mit einem Gala-Dinner auf seinen neuen Frakfurter Posten. Dies geht aus Beweisstücken hervor, die dem mit Schleins Klage befaßten New Yorker Gericht vorliegen.

Auch die angebliche Abmahnung Schreibers durch den DZT- Vorstand vom 8.12. 1993 wurde Schleins Anwalt erst im November 1994 zugestellt. Es gibt einige Indizien dafür, daß das Abmahnungsschreiben auch erst dann verfaßt wurde. Das Schreiben hat jedoch für die Klage Schleins auf Schadensersatz in Höhe von 2,5 Millionen US-Dollar keinerlei Relevanz. Nach US-Gesetzen hätte die DZT Schlein sofort von der Abmahnung Schreibers informieren müssen.

Inzwischen droht der ganze Vorgang für die DZT, und damit auch für die deutschen SteuerzahlerInnen, immer teurer zu werden. Am 16.2. 1995 reichte Schlein eine zusätzliche Schadensersatzklage in Höhe von einer Millionen Dollar ein – wegen anhaltender Vergeltungsmaßnahmen und Unterlassung der Aufsichtspflichten. Die Klage richtet sich nicht nur gegen Schreibers Nachfolger Klaus Hänschke, sondern auch gegen die Frankfurter Zentrale. Schleins Anwalt hat darüber hinaus eine einstweilige Verfügung zur Unterbindung der anhaltenden Schikanen gegen seine Klientin beantragt.

Eine zweite Mitarbeiterin, Christa Willibald, hatte ursprünglich nur eine Beschwerde wegen Rassendiskriminierung vor der New Yorker Menschenrechtskommission eingelegt. Da eine Verhandlung vor der Kommission wegen zahlreicher ähnlicher Beschwerden frühestens in zwei Jahren zu erwarten ist, hat auch Willibald inzwischen vor dem zuständigen New Yorker Bundesgericht Schreiber, Hänschke und die DZT auf eine Million Dollar Schadensersatz verklagt: wegen Rassendiskriminierung, Vergeltungsmaßnahmen, Verletzung der Aufsichtspflicht und geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Bezahlung. Andreas Zumach