Eberhard Diepgens geheime Quellen

Berlins Bürgermeister stuft die PDS als linksextremistisch ein und beruft sich auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, die dieser bei der Konrad-Adenauer-Stiftung gewonnen hat  ■ Aus Berlin Dirk Wildt

Anfang Februar, die PDS hatte sich auf ihrem Parteitag gerade von ihren Stalinisten abgegrenzt, kündigte Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) an, Teile der SED-Nachfolgerin nachrichtendienstlich überwachen zu lassen. Er berief sich dabei auf einen Bericht des ihm unterstehenden Verfassungsschutzes. Dort seien Strömungen der Partei als „linksextremistisch“ eingestuft worden, „es könnten Verbindungen zu terroristischen Gruppen festgestellt werden“. Nun liegt der 300 Seiten dicke Bericht fast unverändert dem Verfassungsschutzsausschuß des Abgeordnetenhauses vor und bewirkte das Gegenteil dessen, was acht Monate vor den Berliner Landtagswahlen erreicht werden sollte. Statt die PDS als verfassungsfeindlich zu outen, bildeten gestern SPD, Bündnisgrüne, FDP und sogar die CDU mit den angeblichen Linksextremisten zumindest in einer Frage eine „Volksfront“: Alle Fraktionen forderten das Landesamt für Verfassungsschutz auf, den Bericht der Öffentlichkeit nicht länger vorzuenthalten.

Denn die zusammengetragenen Informationen sind dürftig: Sie stammen fast ausschließlich aus Zeitungsberichten, Büchern, Studien und Gesetzestexten. Der Bericht sei überhaupt nur deshalb als geheim eingestuft worden, behauptete der FDP-Abgeordnete Rolf-Peter Lange, weil der Regierende Bürgermeister dessen „Dürftigkeit“ erkannt habe. Selbst der CDU-Abgeordnete Andreas Gram konnte nicht anders und mußte ebenfalls seine Verwunderung über den Stempel „VS vertraulich“ zum Ausdruck bringen.

Der FDP-Sicherheitsexperte Lange bezweifelte das Argument von Verfassungsschützern, daß bei einer Veröffentlichung „V-Leute und andere Quellen hochgehen“. „Ich kündige an, jedem Auskunft zu geben, der nach dem Bericht fragt“, sagte Lange wütend, „ich sehe jedem Prozeß gelassen entgegen.“ Nach der Sitzung machte Lange seine Ankündigung wahr: Die Hälfte der Bewertung von Teilen der PDS stamme aus einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, berichtete er der taz. Die PDS werde vom Verfassungsschutz deshalb als verfassungsfeindlich eingestuft, weil ihre Forderung nach einem Verbot der Aussperrung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Partei wolle lebenslange Haftstrafen abschaffen, um RAF-Gefangene zu befreien, und der Wunsch nach mehr direkter Demokratie widerspreche der im Grundgesetz festgeschriebenen repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Mit solchen Positionen, so Lange, sei so ziemlich jeder Gewerkschafter und jeder Christdemokrat ein Verfassungsfeind.

Eberhard Diepgen ließ durch seinen Staatssekretär ausrichten, daß er weiterhin die Bespitzelung von Teilen der PDS, wie der Kommunistischen Plattform, der AG Junge GenossInnen und des Bundes Westdeutscher Kommunisten, für richtig halte. Unklar blieb, ob dies bereits passiert. Der Verfassungsschutz selbst will nun Anfang Mai eine überarbeitete Version seines PDS-Berichts der Öffentlichkeit vorstellen.