Sudeten-Enteignung von 1945 war rechtmäßig

■ Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts / Keine Berufungsmöglichkeit / Der Kläger forderte Gleichstellung mit kommunistischen Enteignungen

Brünn (rtr/AP) – Das tschechische Verwaltungsgericht hat gestern erwartungsgemäß eine Klage gegen die Enteignung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg in der Tschechoslowakei abgewiesen. Wie die Nachrichtenagentur CTK meldete, wurde das am 25. Oktober 1945 von dem damaligen Präsidenten Edvard Benes erlassene Dekret 108 für rechtmäßig erklärt.

Der Tscheche deutscher Herkunft, Rudolf Dreithaler, hatte das Verfahren in Gang gebracht. Er forderte die Rückgabe eines Hauses in Liberec, das seiner Familie gehört hatte. Der Prozeß war in Tschechien auf großes Interesse gestoßen, weil im Falle eines positiven Urteils die rund 100.000 Tschechen deutscher Herkunft sich eine geringe Entschädigung hätten erhoffen können. Für die deutschen Vertriebenen hätte eine solche Entscheidung zunächst keine konkreten Folgen gehabt. Gegen das Urteil des Verfassungsgerichts gibt es keine Berufungsmöglichkeit.

Dreithalers Forderung nach Rückgabe des Hauses in Liberec, dem früheren Reichenberg, hatten Gerichte in früheren Instanzen bereits abgewiesen. Er hatte seine Klage damit begründet, daß die Tschechen deutscher Nationalität nicht mit den anderen Tschechen gleichbehandelt würden. Diese hatten nach der politischen Wende ihr Eigentum zurückerhalten, wenn es nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 enteignet worden war.

Der tschechische Ministerpräsident Vaclav Klaus begrüßte das Urteil. Präsident Vaclav Havel hatte erst kürzlich eine Aufhebung des Benes-Dekrets abgelehnt. Er erinnerte daran, daß das tschechoslowakische Parlament 1946 den Erlaß bestätigt hatte. Sein Land habe nicht das geringste Interesse daran, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, sagte er.

Der tschechische Botschafter in Deutschland, Jiri Grusza, sagte gestern, er sehe in seinem Land derzeit keine Mehrheit für eine Aufhebung oder Revision der nach 1945 zum Nachteil der Sudetendeutschen getroffenen Regelung. Gerechtigkeit in der Geschichte bedeute, die gegenseitige Rechnung für beide Seiten erträglich zu machen, sagte er im Deutschlandradio. „Es geht um etwas, was wir ausgeklammert haben, weil die Belastung auf beiden Seiten so groß ist. Diese Ausklammerung ist der Bestandteil unseres Vertrages, und daran sollten wir uns halten und in die Zukunft schauen.“