■ Mit Frauen am Lenkrad auf du und du
: Öko-Avantgarde?

Berlin (taz) – Es gibt, so stellen die StatistikerInnen fest, nur eine Gruppe in der deutschen Bevölkerung, die die Straßen vor allem vom Autositz aus wahrnimmt: die Männer „im besten Alter“. Kennzeichen: zwischen 20 und 60 Jahre alt, berufstätig, selten in der U-Bahn oder auf dem Fahrrad zu sehen. Denn diese Männer legen zwei Drittel ihrer Wege mit dem eigenen Wagen zurück, hat das Münchner Institut Socialdata festgestellt.

Berufstätige Frauen hingegen nutzen Auto und „Umweltverbund“ (Busse und Bahnen, Fahrrad, Gehweg) etwa in gleichem Maß. Hausfrauen (und die paar Hausmänner, die in der Statistik nicht auffallen), fahren erheblich seltener mit dem eigenen Wagen – sie sind zwei Drittel ihrer Wege im Umweltverbund unterwegs.

Also alles wunderbar? Sind Frauen die „ökologische Avantgarde“? Zur Zeit schon noch, sagt Ute Beik, beim Wuppertal- Institut für feministische Verkehrspolitik zuständig: „Aber es gibt natürlich die Gefahr, daß die Frauen aufholen.“ Einige Trends deuten in diese Richtung: Die Zahl der Zweitwagen – was meist Frauenautos sind – steigt, und die Autokonzerne entdecken bei ziemlich gesättigtem Markt Millionen neuer Käuferinnen.

Eine derartige Trivial-Emanzipation nach dem Motto „Gleiche Rechte, gleiche Autos“ lehnen die feministischen Verkehrswissenschaftlerinnen ab. Denn wenn ein Auto verfügbar ist, entstehen für Frauen schnell neue Zwänge: den Sohn zum Kindergarten bringen, die Tochter zum Flötenunterricht, die Oma zum Arzt. „Wir vermuten sogar, daß genau solche ,Chauffeusen-Dienste‘ meistens der Grund für die Anschaffung eines Zweitwagens sind“, sagt Ute Beik. Mag sein, daß sich manche Frauen in dieser Beschreibung der herrschenden Straßenverhältnisse nicht wiederfinden. Doch auch emanzipierte Frauen mit Job seien noch häufiger mit solchen sozialen Arbeiten beschäftigt als Männer, vermutet Ute Beik.

Die wichtigste politische Forderung der feministischen Verkehrspolitik ist daher, die Städte und Dörfer so zu ändern, daß Frauen ihre Rolle als „ökologische Avantgarde“ behalten können. Neben den üblichen, vertrauten Forderungen nach besserer Infrastruktur des Umweltverbundes wäre das vor allem ein Versuch, die Sicht von Frauen in den Planungsprozeß zu integrieren. Denn wie die Autofahrer sind auch die Verkehrsplaner heute meist „Männer im besten Alter“, denen oft der Blick für die Schwachstellen bei Bussen, Bahnen, Rad- und Fußwegen fehlt. Dieser Blick könnte durch Befragungen der betroffenen Frauen geschärft werden, fordert Ute Beik. Felix Berth