"National und aufrecht"

■ Ein rechtsradikales Papier aus der Jungen Union beschäftigt den Landesvorstand / Niemand will es geschrieben haben

Die Nachwuchsorganisation der CDU hat einen neuen Skandal. Vierzehn jugendliche Politiker wollen in Pankow den gesamten Kreisvorstand der Jungen Union (JU) wegputschen und haben gegen ihren Vorsitzenden Stefan Gernutt und die Schatzmeisterin einen Mißtrauensantrag gestellt. Doch die im rechtsradikalen Tonfall gehaltene Begründung wollen sie nicht geschrieben haben.

In dem Schreiben heißt es, der Kreisvorsitzende Gernutt und „seine linke Hand“ hätten „nach Belieben nationalbewußte und aufrechte JU-Kameraden denunziert und beleidigt. [...] Es kann nicht sein, daß ein Wessi in der schwierigen Zeit des Aufbaus Mitteldeutschlands die Führung eines Kreisverbandes hat. [...] Leute, die sich um den Wehrdienst gedrückt haben, können nicht in den Zeiten der nationalen Bedrohung durch militante Ausländer und andere Elemente in der CDU oder der JU geduldet werden.“ Unterschrieben ist der Text nicht. Dem Mißtrauensantrag sind die Namen von vierzehn Mitgliedern der Pankower Jungen Union beigefügt.

Der Vorsitzende der Berliner Schülerunion, Christian Gräff, gibt zu, den Pankower Mißtrauensantrag mitunterzeichnet zu haben. Er distanzierte sich zugleich von der auch von ihm als „rechtsradikal“ eingestuften Begründung. Diesen Text kenne er nicht. Doch Gräff, am Telefon völlig durcheinander, konnte gewisse Ungereimtheiten nicht erklären.

So sind sieben der vierzehn Unterzeichner erst letzte Woche in den Pankower Kreisverband eingetreten. Warum diese sofort die Bezirksspitze absetzen wollen, begründete Gräff damit, daß die Neumitglieder die Arbeit des Kreisvorsitzenden und anderer zuvor auf Veranstaltungen verfolgt hätten. Inwiefern aber Vorsitzender und Schatzmeisterin der Jungen Union Pankow „durch ihr Auftreten geschadet und einzelne Mitglieder denunziert und in ihrer Arbeit behindert“ haben sollen, wie es in dem Mißtrauensantrag heißt, wollte Gräff nicht sagen.

Im Landesvorstand herrschte gestern helle Aufregung. „Wir versuchen herauszufinden, von wem die Begründung kommt“, sagte Landesgeschäftsführer Thorsten Dorn, der sich von dem „Pamphlet“ ebenfalls distanzierte. Dorn selbst ist unter politischen Druck geraten, weil er jüngst einer Presseerklärung zu einem Mahnmal eine antisemitische Überschrift verpaßte. „Kein Judendenkmal am Potsdamer Platz“ hatte der Landesgeschäftsführer getitelt und für bundesweite Empörung gesorgt. Nun soll er sich am kommenden Montag auf einer deshalb einberufenen Landesausschußsitzung verantworten. Dorn hat sich bis heute von der Überschrift inhaltlich nicht distanziert. Dirk Wildt