Wußten Hamburgs Polizeichefs über Folter Bescheid?

■ Anwalt belastet führende Beamte schwer

Hamburg (taz) – Schon seit einem Jahr wußten der Hamburger Landespolizeichef Heinz Krappen und Kripochef Wolfgang Sielaff Bescheid, daß Beamte der Wache elf Schwarzafrikaner gefoltert hatten. Das jedenfalls behauptet der Rechtsanwalt des Kronzeugen, der zwei Jahre lang im umstrittenen Hauptbahnhof-Revier an der Kirchenallee Dienst geschoben hat. Anwalt Peter Wulf gibt gegenüber der Welt am Sonntag an, daß sein Mandant bereits 1992 der Revierleitung von den Übergriffen berichtete. Als nichts passierte, habe er Kontakt zu Polizeidirektor Richard Peters aufgenommen. Der habe ihn um „höchst vertrauliche Behandlung“ gebeten, passiert aber sei abermals nichts. Nach Angaben Wulfs soll die Polizeispitze – Krappen und Sielaff – dann im Frühjahr 1994 vom Chef der Landespolizeischule über die Vorfälle informiert worden sein. Die beiden ranghöchsten Polizeibeamten Hamburgs hätten aber weder den damaligen, inzwischen wegen ausländerfeindlicher Tendenzen in der Polizei zurückgetretenen Innensenator Werner Hackmann noch seinen Nachfolger Hartmuth Wrocklage über die skandalösen Vorfälle informiert.

Aufgrund der jüngsten Enthüllungen wird in diesen Tagen mit dem Rücktritt oder der Ablösung der drei umstrittenen Polizeiführer gerechnet. So soll Landespolizeichef Heinz Krappen, der 1986 zu den Verantwortlichen des „Hamburger Kessels“ zählte, bereits nach einer Panorama- Sendung Ende letzter Woche über seinen Rücktritt nachgedacht haben. Das Fernsehmagazin hatte unter Berufung auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft berichtet, daß Schwarze im Hamburger Hauptbahnhof-Revier schwer mißhandelt worden seien. So wurden sie in der Zelle mit Reizgas oder Insektenspray eingenebelt. Beamte hätten sie in der Nacht hilflos an abgelegenen Orten ausgesetzt. In zwei Fällen habe es im Freihafen sogar Scheinhinrichtungen gegeben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen achtzig Polizisten. Kai von Appen