„Man muß sagen, daß wir alle Amateure sind“

■ „Trotzdem“ – Behinderte machen mit wenig Geld, viel Engagement und noch mehr Pannen ein Fernsehmagazin – nicht nur für Behinderte

Die Polstergarnitur mit braun- orange-grünem Blumenmuster und der Eichentisch, der mit Notizzetteln, Tabakdosen, Aschenbechern und Kaffeetassen vollgestellt ist, vermitteln Wohnzimmeratmosphäre. Auf den zweiten Blick fällt ein Schreibtisch mit zwei Monitoren ins Auge. Und erst beim dritten Hinsehen bemerkt man die Videokamera in der Ecke, einige Mikrofone und einen Stapel Videokassetten. Und nun glaubt man es: Dies ist kein chaotisches Wohn- Arbeits-Zimmer. Dies sind die Räume des Berliner Behinderten Fernsehens (BBF), das im Mai 1994 gegründet wurde.

Über den Videorecorder läuft die letzte „Trotzdem“-Sendung, wie das BBF sein Magazin genannt hat. Thomas Krause, der kleinwüchsige Mitbegründer des BBF, begrüßt die Zuschauer. Der Rest der Moderation ist kaum zu verstehen. Mit der Tontechnik hapert es noch ein wenig. Auch das Interview mit zwei Rollstuhlfahrern auf der Grünen Woche fällt der Tontechnik zum Opfer. Nach einer Zwischenmoderation leitet Krause die Sendung mit den Worten „und nun unser nächster Beitrag“ weiter. Es folgt aber nicht der nächste Beitrag, sondern Schwarzbild. „Man muß dazu sagen, daß wir alle Amateure sind“, erklärt Krause die Pannen. „Aber im Vergleich mit den ersten Sendungen läuft das schon viel besser“, ergänzt sein Kollege Klaus Drauschke.

Bei der allerersten Sendung, die im Offenen Kanal ausgestrahlt wurde, produzierten sie bis zur letzten Sekunde. Als das BBF- Team, das sich je zur Hälfte aus behinderten und nichtbehinderten Mitarbeitern zusammensetzt, mit der Kassette im Studio ankam, lief bereits der Ankündigungstrailer. „Der Moderator war eine einzige Katastrophe. Den haben wir nur genommen, weil das sonst niemand machen wollte“, erinnert sich Drauschke.

Die Idee, Fernsehen für Behinderte zu machen, sei Anfang letzten Jahres entstanden. Zu der Veranstaltung einer Behindertenorganisation hatte Drauschke seine Videokamera mitgenommen. Daraufhin habe die Behindertenbeauftragte von Friedrichshain ihn und Krause gefragt, ob sie das nicht regelmäßig machen wollten.

So richtig eingestiegen seien sie dann bei der Behindertenweltmeisterschaft. Da hätten die professionellen Teams nur „Blabla, unter aller Sau“ gezeigt. „Was hinter den Kulissen abgeht, interessiert die doch gar nicht“, regt sich Drauschke auf. Die Mitglieder vom BBF wollten das besser machen und stürzten sich mit Feuereifer in die Sache. „Wir haben über 60 Stunden Filmmaterial aufgenommen. Das war so viel, daß kein Mensch mehr bereit war, das zu sichten“, erzählt Krause.

Perfekt sei man zwar noch nicht, aber deutliche Fortschritte seien schon festzustellen, betonen die BBF-Macher. Die technische Ausstattung sei besser als am Anfang, Anträge für ABM-Stellen würden demnächst gestellt und die Zahl der Vereinsmitglieder sei auf elf gestiegen. Seit letztem Dezember gibt es einen festen Sendeplatz beim Spreekanal: jeden zweiten Sonntag von zwei bis halb drei. „Das ist doof, daß wir hier in Friedrichshain nicht verkabelt sind“, meint Drauschke. „Wir können uns die Sendungen immer nur auf Video angucken.“

Von der Idee, ausschließlich über Behinderte zu berichten, hat man sich nach der ersten Sendung beim BBF verabschiedet. „Die Leute aus den Behindertenorganisationen haben uns gesagt, daß sie darauf keine Lust hätten. Die wollen auch mal was anderes sehen“, erklärt Krause. Vor allem bei dem Veranstaltungskalender legt man Wert auf allgemeine Tips. „Was für Behinderte angeboten wird, wissen unsere Zuschauer sowieso“, so Drauschke. Ansonsten ist die Zuschauerresonanz eher gering: Einen einzigen Zuschauerbrief haben die BBF-Leute bisher bekommen. „Trotzdem“ – die fünfte Sendung, die am 5. März gesendet wird, wird eine Jubiläumsausgabe. Präsentiert werden Highlights aus den ersten vier Sendungen und Mitschnitte von der Feier des BBF-Teams. „Damit die Zuschauer mal sehen, wer wir eigentlich sind.“ Gesa Schulz

Kontakt über Thomas Krause, Telefon: 5891938