Verdienter Boxpromoter k. o.

■ Klaus Speer, der angebliche Pate von Berlin, wurde zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt / Anwalt geht in Revision

„Ich glaub', ich träume!“ Das waren die letzten Worte von Klaus Speer, bevor die Kammer ihren Urteilsspruch verkündete: fünfeinhalb Jahre Haft. Das Landgericht sah es gestern nach rund 140 Verhandlungstagen als erwiesen an, daß sich der Geschäftsmann und Boxpromoter Klaus Speer des Betruges, Wuchers, des unerlaubtem Waffenbesitzes und der Anstiftung zum Geheimnisverrat schuldig gemacht habe. Von sieben weiteren Vorwürfen wurde Speer freigesprochen.

Während Richter Hans-Jürgen Herdemerten unter Buhrufen seine Begründung für das auffallend harte Urteil verlas, schüttelte Speer-Verteidiger Horst Mahler immer wieder den Kopf. Sein Mandant selbst nahm das Urteil gefaßt auf.

„Ich laß den Saal räumen!“ drohte Richter Herdemerten angesichts der vielen murrenden Zuhörer, die bereits lange vor Prozeßbeginn gekommen waren. Der Richter kritisierte in der Urteilsbegründung zunächst, daß weder Umfang noch Inhalt des Prozesses eine derartig lange Verhandlungsdauer gerechtfertigt hätten. Die Schuld dafür liege allein bei Rechtsanwalt Mahler, dem der Richter eine Verschleppungstaktik vorwarf. Anschließend bemängelte er die Art und Weise, wie Horst Mahler seinen Mandanten verteidigt habe. Diese sei ihm zu engagiert gewesen.

Diese Worte mußten auf die Zuhörer wie eine Revanche des Kammervorsitzenden für die Befangenheits- und Strafanträge vorkommen, die Speers Anwalt im Verlauf des fast zweijährigen Prozesses gegen die Mitglieder der Kammer gestellt hatte. Dann kam der Richter zu den eigentlichen Tatvorwürfen: Klaus Speer werde wegen versuchten Betruges verurteilt, weil er über einen Strohmann einen Wechsel eintreiben wollte, ohne den Hintergrund eines Glückspielgewinns anzugeben. Zudem habe Speer Schulden mit Wucherzinsen eingetrieben.

Als strafmildernd bewertete das Gericht lediglich, daß Speer sich in Teilen der Hauptverhandlung als Pate von Berlin titulieren lassen mußte, obwohl der Prozeß dafür keinen Anhaltspunkt geboten habe. Herdemerten: „Die Mär von der organisierten Kriminalität hat sich lange gehalten.“

Für Staatsanwalt Kamstra ist dies unbedeutend. Seiner Auffassung nach habe im Prozeß gegen Speer zumindest einiges auf organisierte Kriminalität hingewiesen: „Neben Beamtenbestechung ist auch die Furcht bei Zeugen einer von vielen Indikatoren für organisierte Kriminalität“, erklärte der Anklagevertreter, der das Urteil für vertretbar und angemessen hält. „Die Staatsanwaltschaft kann mit dem Urteil gut leben!“

Speer-Verteidiger Horst Mahler bewertet das Urteil als „ein ganz finsteres Kapitel in der Justizgeschichte“. Mahler zeigte sich überzeugt, daß „der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufheben und für klare Verhältnisse sorgen wird“. Der Anwalt kündigte an, daß er in Revision gehen wird. Klaus Speer, der sich bereits seit 33 Monaten in U-Haft befindet, muß weiterhin im Knast bleiben. In einem gesonderten Verfahren will das Gericht weitere acht Anklagepunkte gegen Speer verhandeln. Peter Lerch