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■ Gewalt zwischen Pakistans Sunniten und Schiiten fordert 30 Menschenleben

Karatschi/Berlin (AFP/ap/taz) Bei erneuten blutigen Auseinandersetzungen zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen sind am Wochenende in der pakistanischen Stadt Karatschi mehr als 30 Menschen getötet worden.

Nach den Morgengebet am Samstag hatten die allem Anschein nach sunnitischen Attentäter kurz hintereinander zwei schiitische Moscheen überfallen und 20 Menschen getötet. Sechs Menschen starben in der einen Moschee unter dem Kugelhagel der maskierten Männer. In der zweiten Moschee, Mehfil-i-Murtaza, wurden die Opfer laut Augenzeugenberichten in einer Ecke des Gebetsraums zusammengedrängt, mit dem Gesicht zur Wand aufgestellt und dann regelrecht hingerichtet. 14 Menschen starben, drei weitere wurden verletzt. Die Polizei schließt nicht aus, daß es sich bei den beiden Attentaten um einen Vergeltungsakt handelt. Erst letzten Freitag waren ebenfalls in einer Moschee zwei Sunniten erschossen worden. Weitere fünf Menschen kamen bei gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der aus Indien stammenden Mohajir Qaumi-Bewegung ums Leben.

Auslöser für die Eskalation der Gewalt in Karatschi soll auch das Vorgehen der Behörden in Lahore gewesen sein. Dort hatte die Polizei ebenfalls am Freitag 35 Führer militanter Muslimorganisiationen festgenommen, um nach dem Freispruch von zwei wegen Gotteslästerung verurteilten Christen Unruhen zu verhindern. Mangels Beweisen und mutmaßlich aufgrund des großen internationalen Drucks waren die beiden Angeklagten am Donnerstag vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen worden. Die beiden Christen sind nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis am Samstag untergetaucht.

Ministerpräsidentin Benazir Bhutto, der von schiitischer Seite des öfteren vorgeworfen worden war, eine prosunnitische Politik zu betreiben, zeigte sich nach den Attentaten „schockiert“. Ihre Regierung versuchte bislang vergeblich, den Gewalttaten islamischer Extremisten Einhalt zu gebieten. Seit Anfang Februar wurden allein in Karatschi mindestens 142 Menschen bei religiös oder politisch motivierten Gewalttaten getötet.

An den Trauerkundgebungen für die Opfer der beiden Massaker nahmen Samstag abend mehr als 8.000 Menschen teil. Dabei kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen militanten Moslems und der Polizei. Fensterscheiben wurden eingeworfen, Autos in Brand gesetzt, die Gebäude zweier Zeitungen verwüstet. Bei weiteren, nicht näher bezeichneten Gewalttaten wurden nach Angaben der Polizei in der Nacht zum Sonntag sechs Menschen getötet. Seit gestern patrouillieren 20.000 Polizisten und 8.000 Fallschirmjäger die Straßen Karatschis. kim