Offenbar nicht nur hörgeschädigt

■ betr.: „Nachschlag“ (Lesung von Eike Geisel), taz vom 16. 2. 95

„Er ist ein großer, hagerer Geselle, der mit seiner Nickelbrille wie ein verläßlicher Kassenarzt aussieht. Seine Diagnosen erfrischten“, schreibt Herr Martin. Er wäre, statt zu meiner Lesung im Literaturhaus, besser gleich in meine Sprechstunde gekommen. Ich hätte ihm dann ein Hörgerät verschrieben. Denn Formulierungen wie etwa „Wiedergeburtshelfer für die deutsche Identität“ – über Spielberg – habe ich weder ausgedacht noch geschrieben und schon gar nicht vorgelesen.

Aber der Physiokomiker hat ja nicht nur einen Hörschaden. „Die momentan grassierende Gedenkstättensucht“, verhört nicht, sondern verdenkt sich Martin weiter, „analysiert er mit dem untergründigen Bedürfnis, der Shoa doch noch einen Sinn zuzusprechen“. Ich analysiere mit einem untergründigen Bedürfnis? Offenbar sind hier nicht nur Ohren geschädigt, sondern auch das, was dazwischen liegt. Also: Überweisung zum Facharzt holen. Eike Geisel