Bayern: Metaller an die Urne

■ Heute beginnt die IG Metall mit der Urabstimmung über einen Arbeitskampf

München/Hamburg (AFP/Reuter) – Mit Beginn der Urabstimmung in Bayern läuft ab heute der Countdown für den ersten Streik in der westdeutschen Metall- und Elektroindustrie seit elf Jahren. Die Tarifpartner haben am Wochenende ihre Auseinandersetzung noch verschärft. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall, Klaus Zwickel, warf den Unternehmern „Betrug an den Metallern“ vor. Dagegen warnte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Dieter Kirchner, vor einem „langen Streik, an dessen Ende eine Entlassungswelle sondergleichen stehen wird“. Gesamtmetall-Chef Hans-Joachim Gottschol drohte, die Arbeitgeber würden der IG Metall nicht das „Heft des Handelns“ überlassen. Ein konkretes Lohnangebot, wie von den Gewerkschaften gefordert, wollen die Arbeitgeber allerdings nicht vorlegen. Sie verbinden Lohnerhöhungen mit der Forderung nach Kostensenkungen für die Unternehmen.

In Bayern laufen die Vorbereitungen für die heutige Urabstimmung auf Hochtouren. Von heute bis Mittwoch stimmen die Metaller ab. Am Mittwoch wird der Vorstand der IG Metall zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen. Zur gleichen Zeit werden die Tarifpartner in der Chemieindustrie sich in Niedernhausen bei Wiesbaden treffen und versuchen, einen eigenen Tarifabschluß zu erreichen.

Das kann für beide Seiten der Metall- Branche Probleme schaffen: Sollte die Chemie zu einer Einigung kommen, wäre diese für sämtliche Industriebranchen beispielhaft. Der IG Chemie hängt der Ruf an, nicht gerade die kampfbereiteste Einzelgewerkschaft zu sein. „Uns wäre lieber, die Chemie wäre nicht so schnell“, erklärten Vertreter der IG Metall. Sie fürchten, daß der Abschluß in der zweitgrößten Industriebranche trotz der erheblich besseren Ertragslage nicht hoch genug ausfallen könnte. Dann müßten sich auch die Metall-Arbeitgeber am Chemieabschluß orientieren. Doch geht es in der Chemieindustrie um eine reine Lohnrunde. Kosten, die durch die bereits vereinbarte Einführung der 35-Stunden-Woche entstehen, haben die Chemieunternehmer nicht zu bewältigen. Da sie zudem im Durchschnitt wirtschaftlich besser dastehen, könnten sie auch schnell eine vergleichsweise hohe Einigung erzielen, befürchten die Metall-Arbeitgeber.

Gottschol schloß nicht aus, daß die Arbeitgeber den Streik über Bayern hinaus ausweiten könnten. „Wir dürfen nicht zulassen, daß ein Teil unserer Mitglieder in einer Weise bestreikt wird, die die IG Metall sehr lange aushalten kann.“ Um den Arbeitskampf kurz zu halten, dürfe er nicht „punktuell“ geführt werden.

Kirchner fordert, die IG Metall solle akzeptieren, daß die Arbeitszeiten in manchen Betrieben für mehr Arbeitnehmer auf 40 Stunden ausgedehnt werden. Sonst könnten weder kürzere Arbeitszeiten noch höhere Löhne finanziert werden. Zwickel wies dies strikt zurück: Die Leute sollten ohne Zuschläge länger arbeiten, „Kirchner nennt das Kompensation, ich nenne das Betrug an den Metallern.“

In Bayern sind etwa 165.000 Metaller zur Urabstimmung aufgerufen. Wenn sich 75 Prozent der Stimmberechtigten für einen Streik aussprechen, dann könnte dieser Ende nächster Woche beginnen.