Hafenstraße befriedet

Heute befürwortet die Hamburger Bürgerschaft den Verkauf der Häuser in der Hafenstraße  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Kann ein Hauseigentümer die BewohnerInnen seines Eigentums an linker Politik und dem gesetzeswidrigen Anbringen kurdenfreundlicher Symbole hindern? Antwort auf diese weltbewegende Frage will heute nachmittag die Hamburger Bürgerschaft finden. Sie will 14 Jahre nach der ersten Besetzung der Häuser in der Hafenstraße den Dauerkonflikt endgültig entschärfen. Der rot-graue Senat (SPD/Statt Partei) bittet die Abgeordneten um ihr Ja für den Eintritt in Verkaufsverhandlungen mit Privatinvestoren. Der Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) hat bereits eingeräumt, daß die bisherigen Versuche, „die schlimm eskalierte Konfliktlage“ dauerhaft zu beseitigen, gescheitert seien. Jetzt soll ein Investor richten, was Bereitschaftspolizei, Abrißbirnendrohung und Räumungstitel nicht vollbrachten: Das Widerstandsnest am Hafen, von der Bild-Zeitung einst als RAF-Filiale diffamiert, von ökosozialistischen Grünen lange als Keimzelle einer deutschen Pariser Kommune hochstilisiert, soll sich in eine Häuserzeile gesetzestreuer Sozialmieter verwandeln. Die Zustimmung der Bürgerschaft ist fast schon sicher: Selbst die CDU, die unter ihrem smarten Jungdynamiker Ole von Beust auf einen schwarz-grünen Machtwechsel hinsteuert, will – allerdings unter verschärften Auflagen – ihre Zustimmung zur Privatisierungsstrategie geben. Allein eine kleine SPD-Fundamentalisten-Crew will ihrem Haß auf die Autonomen am Hafen auch heute treu bleiben und für Räumung votieren. Damit zeichnet sich ein weitgehender Erfolg der Hafenstraße ab. Wollte die Stadt auf den Trümmern ihrer Häuser noch Ende der 80er Jahre Shoppingtempel und Büropaläste hochziehen, so ist dieser Teil Hamburgs jetzt parteiübergreifend „für den Erhalt preiswerten Wohnraums“ reserviert. Unstrittig ist mittlerweile auch, daß eine Lösung nur unter Beteiligung der HafensträßlerInnen funktionieren kann. Gar von „legitimen Interessen der Bewohner“ sprach Senator Mirow, der am vergangenen Mittwoch auf Einladung des humanistischen Bürgerklubs „Patriotische Gesellschaft von 1765“ erstmals mit der Hafenstraße palaverte. Beim Verkauf, so versprach er, werde die Stadt möglichen Spekulationsabsichten der Käufer einen massiven Riegel vorschieben – zum Beispiel per Rückkaufsrecht – und das Gespräch mit den Bewohnern suchen. Dennoch, mahnen Insider, werden die Verhandlungen im Dreieck Senat-Investor-Hafenstraße der eigentliche Härtetest für den neuen Kurs. Die Hafenstraße mißtraut möglichen Privatinvestoren und will die Häuser am liebsten selbst über die Genossenschaft St.Pauli Hafenstraße erwerben. Das Genossenschaftsmodell hat bei Anwohnern, Promis und Sozis viele Mitglieder und Anhänger. Uwe Blökker beispielsweise, einflußreicher Chef des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen, empfiehlt dringend eine Genossenschaftslösung. Die Patriotische Gesellschaft schließlich, Klub der Crème des Bürger- und Bildungsadels, bot dem Senat an, selbst Träger der Häuser zu werden. Senator Mirow lehnte diese Vorschläge bislang zum Mißfallen der „Patrioten“ als „unseriös ab“. Verständlich wird der absonderliche Zickzack-Kurs der Stadtregierung – einerseits keine Räumung, andererseits keine Genossenschaftsprivatisierung – erst durch einen Blick in die Wunden der sozialdemokratischen Seele. Für den rechtskonservativen SPD-Bürgermeister Henning Voscherau, 1988 mit dem Versprechen angetreten, die Häuser plattzumachen, verkörpert die Hafenstraße den Bedeutungsverlust sozialdemokratischer Politik gegenüber dem linksalternativen Lager. Statt brav in Trabantensiedlungen Sozialhilfeschecks zu quittieren, verbandelten sich die Bewohner der Hafenstraße mit ehrbaren Bürgern und betrieben hochprofessionelles Polit-Marketing. Da eine Räumung mittlerweile nicht mehr opportun erscheint, favorisiert Voscherau nun mit dem Investorenmodell eine letzte Unterwerfungsgeste: Werdet „normale“ Mieter, dann dürft ihr wohnen bleiben! Voraussichtlich wird der Bürgermeister sich auch diesmal, wie schon so oft in den letzten 14 Jahren, täuschen: Das Duett von Hafenstraße und Investor wird zwar preiswerten Wohnraum sichern, aber nie und nimmer „Normalität“ herstellen.