Die „Estonia“-Werft in Panik?

■ Eine private Untersuchungskommission liefert abenteuerliche Erklärungen für die Fährkatastrophe

Stockholm (taz) – Seit Wochen wartet die internationale Havariekommission, die die Ursache für die „Estonia“-Katastrophe klären soll, auf Zahlen aus Papenburg. Die Meyer-Werft war aufgefordert worden, ihre Berechnungen über die Festigkeit der Bugklappe und ihrer Verankerungen vorzulegen. Daten, für die vermutlich ein Blick in die Baupläne genügen würde, die aber strikt unter Verschluß gehalten werden. Statt dessen ist man in Papenburg offenbar auf der verzweifelten Suche nach einer Unglücksursache, für die Meyer keine Schuld trägt. Denn die „Estonia“- Katastrophe könnte sich als geschäftsschädigend erweisen, hatte die Papenburger Werft doch gerade beim Bau von Autofähren einen guten Ruf.

150.000 Mark hat Meyer deshalb einer privaten Havariekommission gezahlt, um eigene Ermittlungen anzustellen. Deren Vorsitzender Peter Holtappels, Vorsitzender eines Schiffahrtsschiedsstelle in Hamburg, berichtete der Stockholmer Tageszeitung Dagens Nyheter nun erstmals über seine Erkenntnisse. „Vielleicht ist das Schiff auf einer der großen sowjetischen Bojen aufgelaufen, die es noch in diesen Gewässern gibt.“ Tatsächlich weist die „Estonia“- Bugklappe eine äußere Beschädigung auf, die sie sich nach Auffassung der offiziellen Havariekommision aber beim Abreißen und Schlagen auf den Schiffsrumpf zugezogen hat. Börje Stenström, technischer Experte dieser Kommission, hält deshalb überhaupt nichts von dem neuesten Erklärungsversuch und kommentiert trocken: „Die Verantwortlichen versuchen vielleicht sich reinzuwaschen.“

In einem Punkt besteht allerdings Einigkeit zwischen beiden Kommissionen: Die Fähre widersprach den damaligen Seesicherheitsvorschriften. Holtappel: „Ein Schiff mit der Kontruktion der ,Estonia‘ darf nie mehr gebaut werden.“ Reinhard Wolff