Die Kommission wird es schon richten

■ Bundesärztekammer verabschiedet Richtlinie für gentherapeutische Versuche

Berlin (taz) – Mediziner müssen sich in Deutschland auf ein neues Prozedere einstellen, wenn sie ein gentherapeutisches Experiment ausführen wollen. Die Bundesärztekammer (BÄK), oberstes Organ der Mediziner, hat in der vergangenen Woche eine neue „Richtlinie zum Gentransfer in menschliche Körperzellen“ erlassen. Zentraler Punkt der Richtlinie ist, daß künftig eine der BÄK angegliederte Kommission „Somatische Gentherapie“ in die Begutachtung von Forschungsanträgen mit einbezogen werden soll.

Fast ein Jahr hat es gedauert, bis die Bundesärztekammer aktiv geworden ist, nachdem im März vergangenen Jahres die Berliner Professoren Bernhard Wittig und Dieter Huhn mit der ersten bundesdeuschen Gentherapie ein neues Kapitel in der Medizinforschung aufschlugen. Zwar hatte die BÄK bereits 1989 eine Richtlinie zur Gentherapie am Menschen veröffentlicht. Nur wurde sie weder von Wittig noch von dem Freiburger Professor Roland Mertelsmann, der kurze Zeit später mit einer Gentherapie begann, eingehalten. Doch den Forschern kann dies nicht vorgeworfen werden. Das Versäumnis war von der BÄK verschuldet.

Schon in der alten Richtlinie war eine Bundesethikkommission vorgesehen, die bei einer Gentherapie konsultiert werden sollte. Die BÄK hatte es allerdings jahrelang unterlassen, diese Kommission einzurichten. Gentherapien mußten daher lediglich, wie jedes anderen klinische Vorhaben auch, bei der lokalen Ethikkommission zur Begutachtung eingereicht werden. Nach der neuen Richtlinie soll die lokale Ethikkommission, bevor sie eine Entscheidung trifft, eine Stellungnahme der BÄK-Kommission abwarten und nach Möglichkeit auch mit berücksichtigen.

Noch sind die Mitglieder des neuen BÄK-Gremiums nicht ernannt. Die Richtlinie sieht vor, daß es aus „fünf Biowissenschaftlern, von denen wenigstens drei Ärzte sein müssen“, und jeweils einem Vertreter der Ethik, der Rechtswissenschaft, der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit und des „öffentlichen Lebens“ zusammengesetzt sein soll.

Vertreter der großen Bundestagsparteien hatten schoncvor einiger Zeit angekündigt, daß sie sich eine beim Bundestag angegliederte Bundesethikkommission wünschen. Um das zu verhindern, ist die BÄK jetzt vorgeprescht. Wolfgang Löhr