"Wir forschen, die ernten"

■ Auf Hawaii tagte die erste Weltkonferenz über Photovoltaik / Der Wettlauf um die Marktführung ist weltweit entbrannt / USA planen 100-MW-Kraftwerk in Nevada

Thomas Nordmann, bekannt für unterhaltsame Vorträge und Direktor des Photovoltaik-Programms der Schweizer TNC Consulting AG, zeigte den gut 500 Zuschauern auf Hawaii in schneller Abfolge fünf Dias. Auf jedem Dia war dasselbe Tortendiagramm zu sehen: die Schweizer Landfläche, aufgeteilt in verschiedene Arten der Nutzung pro Einwohner, wie beispielsweise „bebautes Gelände“ oder „Landwirtschaft“. Der Unterschied zwischen den Dias bestand lediglich in den Größenverhältnissen. Die Kamera zoomte immer weiter in das Diagramm hinein und fand schließlich die gesuchten kleinen Punkt: gerade mal eine Fläche von genau 5 mal 10,5 Zentimetern dienen – gesehen pro Kopf des Alpia-Landes – der Nutzung der Photovoltaik. Dabei hat die Schweiz noch eines der ehrgeizigsten und vor allem kontinuierlichsten Photovoltaik-Programme. Die Deutschen haben da wenig zu lachen: Für die Bundesrepublik liegt die dargestellte Fläche der installierten Photovoltaik-Kollektoren pro Kopf bei der Größe einer Briefmarke. Das Lachen des tortendiagrammgewohnten Publikums klang denn auch etwas unsicher – zu abhängig sind die meisten der Konferenzteilnehmer – hauptsächlich Wissenschaftler, Zell- und Modulhersteller, Ingenieure und Installateure – von der Entwicklung dieser Fläche.

Für Unruhe auf Hawaii sorgten auch die immer wieder auftauchenden Gerüchte über das Auslaufen oder – seltener – die Neuauflage diverser Förderprogramme. Laut „stiller Post“ sollen beispielsweise die gerade erst vom amerikanischen Department of Energy für das Finanzjahr 1995 versprochenen 18 Millionen Dollar zur Förderung der Photovoltaik um 8 Millionen verringert werden. Nährboden dieser Befürchtungen war unter anderem die Machtübernahme der Republikaner im amerikanischen Senat und im Kongreß.

Hochinteressant ist weltweit auf den meisten Kongressen die Zeit zwischen den Vorträgen. So auch auf Hawaii: Eines der Top-Pausenthemen zum Beispiel war das japanische 70.000-Dächer-Programm. Zwar sind im letzten Jahr schon 750 3-Kilowatt-Anlagen errichtet worden, doch sollen 1995 noch mal doppelt soviele neu hinzukommen. Joel Davidson, Marketing- Direktor eines der größten in Amerika ansässigen Modulherstellers, erzählte im Gespräch mit der taz, daß seine Firma Solec zu den wichtigsten Lieferanten des japanischen Programms gehört – inzwischen allerdings gehört Solec der japanischen Bank Sumitomo.

Koji Suguie, Direktor des Außenhandelsministeriums, stellte zwei Szenarien vor, in denen Japan im Jahr 2000 zwischen 90 und 400 Megawatt Photovoltaikanlagen installiert haben wird. Die jetzige Weltjahresproduktion beträgt 60 Megawatt, 4 Megawatt werden in Deutschland produziert. Setzt Japan sein Programm um, müssen zwangsläufig neue Produktionsanlagen gebaut werden, was zu einigen Preissenkungen führen wird. Besonders die Arbeiten über amorphes Silizium und Dünnschichttechnologie stießen deshalb bei den japanischen Konferenzteilnehmern auf großes Interesse.

Ein deutscher Aussteller allerdings ist ziemlich frustriert: „Wir forschen jahrelang, und die Früchte ernten andere.“ Deutschland hat tatsächlich ein Problem, das in Japan weit geringer ausgeprägt ist – die Verflechtung der Energiekonzerne mit der Photovoltaik-Industrie. Die japanischen Konzerne Kyocera, Sharp und Sanyo stellen Video-, Fernseh- und Rundfunkgeräte her – und zusammen etwa 12 Megawatt Photovoltaikmodule pro Jahr. Siemens und das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) hingegen bauen Kernkraftwerke und produzieren Atom- und Kohlestrom. Diese Konzerne besitzen seit Mitte des letzten Jahres, nach einer großen Shopping-Tour des RWE in Sachen Solarstromanlagen, die gesamte deutsche Photovoltaik-Produktion. Interesse an einer verstärkten Förderung der solaren Konzernzweige ist hier nicht vorhanden.

Es gibt eine Preisschwelle, ab der sich der Photovoltaik-Markt nahezu verselbständigt und somit keine Förderung von außen mehr notwendig sein wird. Diese Schwelle wurde auf der Konferenz sowohl von japanischen Politikern als auch von dem amerikanischen Marktforschungsinstitut Strategies Unlimited bei 3 US-Dollar pro fertig installiertes Watt – so lautet die Berechnungsgrundlage – festgelegt: Wer diese Grenze zuerst erreicht, wird die Marktführung schließlich übernehmen. Momentan schwankt der Preis irgendwo um 12 Dollar pro „Watt auf dem Dach“. Da wirken Rechnungen und Angebote von Herstellern, welche die Kosten von 3 Dollar pro Watt bereits übermorgen unterschreiten wollen, zweifelhaft und unglaubwürdig. Auf diese Weise nämlich wird die Einführung der Photovoltaik eher blockiert als gefördert, weil Politiker, Investoren und Privatleute auf die Supermodule warten. Und warten. Und warten ...

Trotzdem – oder gerade deshalb? – entfachte ein Preis von anderthalb Dollar pro Watt die Spekulation. Genannt wurde er von der Enron Corporation, Amerikas größtem Erdgaskonzern. Enron will zusammen mit dem Konzern Amoco Corporation eine Photovoltaikanlage von 100 (!) Megawatt in der Wüste Nevada bauen, die den Solarstrom zu 9 Pfennig pro Kilowatt liefern soll. Vorerst jedoch dürften Zweifel angebracht sein, ob dies so schnell gelingt, da die Produktionsanlage für die favorisierten Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium erst in der Planung ist.

In vier Jahren jedenfalls wird die nächste Weltkonferenz stattfinden. Bis dahin kann die Frage, wer die Führung auf dem Weltmarkt übernimmt, schon entschieden sein. Anne Kreutzmann