Unerwarteter Befreiungsschlag

Seien wir ehrlich: Das Mißtrauensvotum gegen Ralf Fücks ist ein unerwarteter Befreiungsschlag. Die Bremer Öffentlichkeit muß der CDU dankbar sein, daß sie uns das endlose politische Gekrampfe einer Koalition, die keine mehr sein wollte, erspart hat. Getrieben von den blanken Existenzangst und der Profilneurose ihres Wirtschaftssenators hat die FDP die Konsequenzen aus einem gescheiterten Experiment gezogen. Was als politischer Aufbruch jenseits der festgefahrenen Parteiabgrenzungen begann und durchaus vorzeigbare Ergebnisse zeitigte, ist letztendlich doch im Dickicht parteipolitische Kalküle untergegangen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Eine in sich gespaltene und profillose SPD, die zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, als daß sie eine Führungsrolle in der Koalition hätte spielen können, eine FDP, die nach ihrem lautlosen Verschwinden aus fast allen Landesparlamenten mit dem Rücken an der Wand stand und eine grüne Partei, die angesichts schmerzhafter Kompromisse um ihr ökologisches Profil fürchten mußte. Jenseits programmatischer Differenzen stimmte auch die Chemie zwischen den Koalitionspartnern, insbesondere zwischen dem Wirtschafts- und dem Umweltsenator, schon lange nicht mehr. Eitelkeiten spielen im politischen Leben eine größere Rolle, als man ihnen allgemein zugestehen will. Der Wirtschaftssenator hat offensichtlich darunter gelitten, daß Fücks selbst in Wirtschaftskreisen als der kompetentere Senator galt – auch wenn man ihn als politischen Gegner betrachtete. Schließlich kündigte auch die Entstehung von Wählerinitiativen am grünen und am rot-gelb-schwarzen Rand (Bürgerforum und Arbeit für Bremen) an, das neue politische Kräfte bereit sind, das durch die Ampelquerelen entstandene Vakuum auszufüllen. Sehen wir also das Mißtrauensvotum, da es die Tür für Neuwahlen geöffnet hat, von der positiven Seite. Die Demokratie lebt nicht nur vom Konsens, sondern auch vom Streit um richtige Lösungen. Nach den Erstarrungen der letzten Monate kommt endlich wieder Bewegung in die Politik. Die Parteien und politischen Kräfte haben jetzt Gelegenheit, sich ohne Koalitionszwang neu zu positionieren, und die Wählerinnen und Wähler können zwischen klar auszumachenden Alternativen entscheiden. Für die FDP könnte sich allerdings das Mißtrauensvotum gegen Fücks, wenn es erfolgreich wäre, als Pyrrhussieg herausstellen. Sollte sie sich bei Neuwahlen auch in Bremen als überflüssig erweisen, gibt es aber für einige FDP-Politiker schon Jobangebote und Therapievorschläge: Betonfacharbeiter werden überall gesucht, und Spaziergänge im Vogelschutzgebiet helfen, die Seele wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Lothar Probst