■ Bremen zeigt: Die alten Gräben sind tief
: Vogelschützer wider Willen

Daß ausgerechnet Ralf Fücks als Vorkämpfer des Vogelschutzes in Bremens Historie eingeht, ist ein schöner Beweis dafür, daß Geschichte immer dort stattfindet, wo man sie am wenigsten vermutet. Schließlich war es der grüne Landes- und Bundespolitiker Fücks, der jahrelang erbittert gegen die Feld-, Wald- und Wiesenökologen in der Partei gekämpft hatte. Er wollte immer eine neue Verbindung ökologischer Ziele mit ökonomischen Mitteln. Nicht gegen die Industrie, sondern gerade in ihr sieht er die Chancen einer gesellschaftlichen Wende zur Ökologie.

In diesem Sinn hatte Fücks die Koalition der Grünen mit der Bremer FDP offensiv als bundespolitischen Testfall für ein ökologisches Wirtschaftsentwicklungsprogramm gepriesen. Drei Jahre danach bleibt von den hochfliegenden Plänen nur ein Scherbenhaufen. Anstatt sich tatsächlich um gemeinsame ökologisch-ökonomische Wirtschaftsideen zu bemühen, haben sich FDP und Grüne schnell wieder auf den alten Grabenkampf zwischen Naturschutz und Gewerbepark eingeschossen. Schuld daran ist nicht Ralf Fücks persönlich. Er hatte in seinem Ressort in der Energiepolitik oder beim Recycling von Industriebrachen tatsächlich begonnen, der Industrie auf den ökologischen Sprung zu helfen. Schuld ist die Linientreue einer ideologisch festgefahrenen Parteienlandschaft — bei den Grünen wie in der FDP. Einigkeit zwischen FDP und Grünen gab es zu Beginn der Koalition nicht in den wichtigen Zukunftsfragen, sondern lediglich beim Beseitigen der schlimmsten Verkrustungen nach 40 Jahren SPD-Alleinherrschaft im kleinsten Bundesland. Nach ihrem dramatischen Absturz von 50,5 auf 38,5 Prozent hatte die SPD dem keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Bis heute ist sie politisch nicht wieder erwacht. Doch gerade das macht sie jetzt zum lachenden Dritten. Weil sie dreieinhalb Jahre lang so unauffällig wie möglich geblieben ist, kann sie jetzt FDP und Grüne dafür verantwortlich machen, daß sie als größte Koalitionspartei nicht regiert hat. Je schneller jetzt Neuwahlen kommen, um so größer ihre Chancen.

Die SPD darf also wieder hoffen. Aber auch die Grünen haben wenig zu befürchten. Denn als Vogelschützer wider Willen eignet sich Fücks jetzt prächtig zum Vorzeige-Ökologen ganz im Sinne des grünen Klientels. Nur der Bremer FDP geht es dreckig. Schon einen Tag nach dem Bruch der Ampel versucht sie mit einer Koalitionsaussage für die CDU ihre Haut zu retten. Aber wen kann sie damit noch beeindrucken, nachdem sie drei Jahre lang ihre Regierungsbeteiligung als politischen Erfolg verkauft hatte? Immerhin — in einem Punkt sind sich die Traditionalisten aller Bremer Parteien jetzt einig: nie wieder Ampel. Dirk Asendorpf