Die Bundesregierung will durch steuerliche Anreize bis zu eine Million neue Jobs in Haushalten schaffen. Die Million gibt es schon – aber nicht legal. In Deutschlands Küchen und Kinderzimmern boomt die Schwarzarbeit. Von Barbara Dribbusch

Die Wiederkehr der Domestiken

Die Zahlen beeindrucken, auf den ersten Blick: zwischen 700.000 und eine Million Jobs wähnen FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle und der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, in privaten Haushalten. Der Schatz neuer Arbeitsplätze in Küchen und Kinderzimmern müsse nur noch gehoben werden, fordert Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Im Entwurf des Jahressteuergesetzes für 1996, der Mitte dieses Monats vorgelegt wird, sollen daher die Kosten für Haushaltshilfen bis zu einer Höhe von 18.000 Mark jährlich absetzbar sein. Die Subventionierung dürfte wenig fruchten: Der Markt für Kinderfrauen und Putzhilfen funktioniert schon längst nach ganz eigenen Gesetzen fernab der großen Politik.

Jobs in Haushalten sind zumeist „Schwarzjobs“, denn nirgendwo sonst sind die Bedingungen hierfür so günstig und die Zwänge so stark. Kontrollen von außen gibt es nicht, es handelt sich zumeist um „Frauenjobs“ – im doppelten Sinne. Berufstätige Frauen sind in der Regel darauf angewiesen, daß ihnen irgendjemand das Windelwechseln und Babyausfahren abnimmt. Die Ehemänner jedenfalls tun es nicht, wie einschlägige Studien belegen. „Berufe sind so strukturiert, daß jeder Beruf mindestens noch eine weitere Person im Hintergrund benötigt, die dem Berufstätigen vor-, zu- und nacharbeitet“, so die Münchner Soziologen Maria Rerrich. Dabei seien es, so Rerrich, „vor allem andere Frauen, die berufstätigen Frauen, und natürlich auch Männern, einen mehr oder minder großen Teil der Alltagsarbeit abnehmen und sie damit für die Erwerbsarbeit freistellen“. Der Markt für bezahlte Kräfte ist riesig. Auf mindestens eine Million schätzt Rerrich die Anzahl der Jobs in deutschen Küchen und Kinderzimmern.

Ein Zahlenvergleich verdeutlicht die Nachfrage: Es gibt im Westen rund 1,5 Millionen Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. In westdeutschen Kindertagesstätten aber sind nur rund 73.000 Kinder im Alter von bis zu drei Jahren untergebracht. Wer nach einem Erziehungsjahr wieder arbeiten gehen will, ist in der Regel auf eine Tagesmutter angewiesen. Die gibt es nur in den seltensten Fällen vom örtlichen Bezirksamt. Wird sie privat angeheuert, ist sie aber nur in den seltensten Fällen korrekt bei ihrem privaten Arbeitgeber angestellt. Offiziell sind in Deutschland nämlich nur rund 120.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Westen: 117.000) in privaten Haushalten gemeldet, laut Mikrozensus von 1993.

Die Zahl der legal Beschäftigten ist dabei trotz der schon bisher geltenden steuerlichen Privilegierungen kaum gestiegen, ja zuletzt sogar gesunken. Im Jahre 1992 jobbten in Deutschland noch 129.000 Erwerbstätige (Westen: 127.000) in privaten Haushalten. Dabei gilt immerhin schon seit 1990 das sogenannte „Dienstmädchenprivileg“, das Blüm und Waigel jetzt noch erweitern wollen. Seit fünf Jahren können die Kosten für legal beschäftigte Kinderfrauen bis zu einer Höhe von 12.000 Mark im Jahr steuerlich abgesetzt werden. Die Bedingung: Es müssen mindestens zwei Kinder im Haushalt leben (Alleinerziehende: ein Kind). Wer eine Kinderfrau einstellt, wird also mit bis zu 6.000 Mark jährlich vom Staat subventioniert.

Geht es nach Bundesfinanzminister Theo Waigel, sollen künftig Kosten in Höhe bis zu 18.000 Mark jährlich steuerlich absetzbar sein. „Man denkt auch darüber nach, ob die Steuervorteile schon in ehelichen Haushalten mit nur einem Kind gelten sollen“, heißt es im Finanzministerium. Bundesarbeitsminister Blüm würde ohnehin am liebsten sogar auch die Anstellung von Köchen und Gärtnern bezuschussen. Mit der Not berufstätiger Ehefrauen, die für den Nachwuchs eine bezahlbare Betreuung suchen, hat dies allerdings wenig zu tun. Nicht subventioniert wird nämlich beispielsweise die private Anstellung einer Tagesmutter, die mehrere Kinder aus verschiedenen Haushalten gleichzeitig in einer Privatwohnung betreut.

Ob die Subventionierung den Tausenden von privat beschäftigten Tagesmüttern korrekte sozialversicherungspflichtige Jobs beschert, ist daher zu bezweifeln. Auch in Dänemark wurden staatlich subventionierte „Heim-Service“-Jobs bisher kaum angenommen, einfach weil die Schwarzjobs immer noch billiger waren. Die SPD befürchtet einen großen „Mitnahmeeffekt“: Wer ohnehin schon gut verdient, kann jetzt auch noch sein Dienstmädchen von der Steuer absetzen. Die etwas enger rechnenden Mittelverdiener dagegen kommt die korrekt angestellte Tagesmutter auch mit der Subventionierung viel zu teuer. Es sei denn, man trickst ein bißchen.

„Halblegale Anstellungsverhältnisse mit einem niedrigen Bruttolohn und ,Schwarzzuschlag‘ sind das private Beschäftigungsverhältnis der Zukunft“, sagt ein Berliner Steuerberater. Diese Art der Entlohnung ist in der Gastronomie schon sehr populär – sehr zum Leidwesen der Gewerkschaft. Ein Beispiel: Die Kinderfrau ist offiziell mit einem Bruttolohn von nur 2.000 Mark beschäftigt, bekommt netto also etwa 1.400 Mark – aber 700 Mark im Monat noch „schwarz“ dazu. Die Gesamtkosten für den Arbeitgeber: 2.800 Mark inklusive aller Sozialversicherungsbeiträge und nach Abzug einer steuerlichen Subvention von 330 Mark monatlich. Würde die Kinderfrau mit ihrem Nettolohn von 2.100 Mark zum korrekten „Brutto“ von 3.200 Mark beschäftigt, müßte die Familie an die 3.500 Mark im Monat zahlen, nach Abzug der Subvention. Beim niedrigen Brutto mit „Schummelzuschlag“ ist dabei für Arbeitgeber und Angestellte zumindest gleichermaßen etwas gewonnen: Die Frau ist krankenversichert, zahlt aber nur eine sehr geringe Rente ein. „Es handelt sich hier um ein offizielles Angestelltenverhältnis, das dann auch steuerlich geltend gemacht werden kann“, so der Steuerberater. Oftmals aber bleibt den Familien und Haushaltshilfen nur die reine Schwarzarbeit. Erstens ist die immer noch am billigsten: Bei einem Stundenlohn von 14 Mark schlägt eine „schwarze“ Kinderbetreuung bei einer Arbeitszeit von 38 Stunden in der Woche nur mit 2.300 Mark zu Buche. Vor allem aber: Viele ausländische Kinderfrauen haben ohnehin keine Arbeitserlaubnis, können also gar nicht offiziell angestellt werden. Es wachse „die Zahl der ausländischen Frauen in Deutschland, die darauf angewiesen sind, eine Arbeit im informellen Sektor zu suchen, zum Beispiel, weil sie keine Arbeitserlaubnis besitzen oder weil sie aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse keine andere Arbeit bekommen können“, hat Rerrich festgestellt. Es kämen damit im Reproduktionsbereich „vermutlich Angebot und Nachfrage zusammen, indem zwei strukturell bedingte Notlagen unterschiedlicher Gruppen von Frauen aufeinandertreffen“.

Kurzfristig, resümiert Rerrich, mag damit beiden Gruppen geholfen werden. Langfristig aber würden auf diese Weise patriarchale Strukturen modernisiert, indem sich neue Muster sozialer Ungleichheit zwischen Frauen etablierten. Während früher hinter jedem Ehemann die Hausfrau stand, entsteht heute hinter Tausenden von Doppelverdienern mit hohem Lebensstandard eine neue soziale Gruppe niedrigbezahlter „Domestiken“ aus Polen, Rumänien oder der Türkei.