Bonner Hände schützen den Palast

■ Entscheidung über Abriß des Palasts der Republik wird vertagt / Töpfer hat neue Pläne zum „Regierungsverkehr“

Die Zukunft des asbestverseuchten Palasts der Republik wird zu einer Frage bundespolitischer Bedeutung. Am Wochenende äußerte sich nicht nur Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) auffällig zurückhaltend zum Abriß. Einzelne SPD- und FDP-Bundespolitiker legten schützend ihre Hand über „Erichs Lampenladen“. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi beschwerte sich über den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), da dieser von sich aus einen Abriß in Aussicht stelle. Über Abriß oder Erhalt werde jedoch der Haushaltsausschuß oder das Plenum des Bundestags entscheiden, handelt es sich doch beim Palast der Republik um kein Berliner, sondern um ein Gebäude des Bundes. Conradi könnte sich eine Nutzung ähnlich dem „Centre Pompidou“ in Paris vorstellen.

Der FDP-Abgeordnete Jürgen Koppelin schätzte gestern die Kosten für einen Abriß einschließlich der notwendigen Asbestsanierung auf 200 Millionen Mark. Für einen Neubau würden dann noch einmal 100 Millionen Mark hingeblättert werden. Deshalb müßten alle Möglichkeiten der Sanierung und des Erhalts geprüft werden, zumal es sich beim Palast um ein wichtiges Stück deutscher Nachkriegsgeschichte handele.

Der gemeinsame Ausschuß der Bundesregierung und des Senats, der heute in Berlin tagt, wird die Entscheidung über einen Abriß verschieben. Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) erwartete gestern keine neuen Beschlüsse. Vor allem werde heute über die zukünftige Nutzung des Schloßpark-Areals diskutiert, auf dem der Palast steht, meinte der CDU-Senator. Hassemer sprach sich für einen Abriß aus, „weil die Asbestbelastung so einschneidend ist“. In dem Glaspalast sind 850 Tonnen Spritzasbest verarbeitet worden. Mit dem Abriß könnte Mitte dieses Jahres begonnen werden. Hassemer entsprach mit seiner Vorstellung einem Beschluß seiner Fraktion, die am Wochenende auf einer Klausurtagung in Cottbus den Abriß des Palastes gefordert hatte.

Bundesbauminister Töpfer drückt beim Umzug der Bundesregierung weiter auf die Tube. Er kündigte an, daß Teile seines Ministeriums in Berlin Büros mieten werden. Seine Vorgängerin Schwaetzer hatte dies immer abgelehnt. Bundessenator Peter Radunski (CDU) wertete Töpfers Entscheidung als „ein Signal für den schleunigen Umzug“. Nach Angaben von Radunski stehen die künftigen Standorte für die Ministerien fest. Das bisher für das Reichsbankgebäude vorgesehene Wirtschaftsministerium soll in das ehemalige DDR-Regierungskrankenhaus in der Scharnhorststraße ziehen. Dafür kommt das Verkehrsministerium in der Bundesanstalt für Geologiewissenschaften in der Invalidenstraße unter, das zuerst Domizil des Bundesbauministeriums werden sollte. Das Bauministerium muß nun Büroflächen anmieten. Wo, sei noch nicht geklärt.

Der Ausschuß wird sich mit einigen entscheidenden, teilweise strittigen Fragen beschäftigen. Berlin will vorschlagen, die leerstehenden ehemaligen Wohnungen der Alliierten sofort dauerhaft zu vermieten. Für befristete Mietverhältnisse hatten sich nicht genügend Interessenten gefunden. Umziehende Bundesbedienstete sollen später Wohnungen erhalten, die über das Stadtgebiet verstreut liegen. Außerdem will Berlin den Bund auffordern, unverzüglich mit dem Bau von Wohnungen für seine Bediensteten zu beginnen.

Bei seinem Besuch in Berlin will Töpfer heute einen genauen Plan vorlegen, wann welcher Altbau renoviert sein wird und von Bundesbediensteten bezogen werden soll. Die Gebäude sollen schneller umgebaut werden als bislang geplant. Auch bei den Straßen, die später durch das oder nahe dem Regierungsviertel verlaufen, geht es offenbar voran. Durch das Brandenburger Tor will Töpfer nur Taxen und Busse fahren lassen. „Ein Tor ist auch offen, wenn man nicht mit dem Auto durchfahren kann“, sagte er gegenüber Bild. Nach Informationen der taz will Töpfer dafür die am Reichstag gelegene Clara-Zetkin-Straße zwar beruhigen, nicht aber wie seine Amtsvorgängerin Schwaetzer sperren. Die provisorisch verlängerte Behrenstraße südlich vom Brandenburger Tor soll auf vier Spuren verbreitert werden. Entsprechende Vorstellungen hat Töpfer vor einer Woche auf der Klausurtagung der Berliner SPD-Fraktion in Königslutter geäußert. Dirk Wildt