■ Erinnern wir uns: Die Lebenswelt der 68er war streng hochwasserorientiert
: Minirock und Wasserbett

Sandsackrepublik Deutschland, Land unter an Rhein, Mosel, Main und Fulda – Wasser ohne Ende. Bei der alljährlichen Wiederkehr der sogenannten Jahrhunderthochwasser ist es mit Schuldzuweisungen („Die Stuttgarter lassen die Kölner absaufen“) und hydrologisch-metereologischer Ursachenforschung (Dörre Auen? GAUes Klima?) nicht mehr getan. Die Menschen an den Strömen brauchen praktische Tips, Hilfe, Phantasie. Statt apokalyptischen Alarmismus bietet die taz naßforsch den ersten und endgültigen Hochwasser-Ratgeber.

Was ist zu tun? Rückbesinnung ist das Gebot der Stunde. Die sechziger Jahre – von der Hippiebewegung zum Zeitalter des Aquarius (sic!) erhoben – waren in allen Lebensbereichen von effizientem Hochwasserschutz durchsetzt. Paradox: Damals stand nur Woodstock unter Wasser, heute halb Europa.

Erinnern wir uns! Gegen gemäßigte Pfützenbildung half bereits die gemeine, höhenflexibel angebotene Plateausohle. Selbst knöchelhohe Fluten brachten die Träger der damals gängigen Hochwasserhose nicht aus der Fassung.

Gut geschürzt entkamen die Damen den feuchten Unbilden: Minirock und Hot pants endeten knapp unterm Bauchnabel und garantierten allzeit trockene Wäsche. Und – wenn es ganz doll kam – signalisierten die hoch (!) toupierten Frisuren den Rettungsmannschaften bojengleich ihren Einsatzort. Manch einer griff zur Jesuslatsche. Wenn sie auch nur in Ausnahmefällen gestattete, wie der Namensgeber trockenen Fußes über die gekräuselte Welle zu wandeln, so sicherte ihre hochdurchlässige Riementechnik doch zuverlässig den Ab- und Durchfluß der Wassermassen.

Nicht nur die Klamotten, auch das Mobiliar war gelebte Hochwasser-Prophylaxe. Bestes Beispiel: der Flokati. Die beliebte zauselige Teppichversion schluckte nicht nur problemlos den Inhalt umgefallener Bastflaschen der Marken Chianti rsp. spanischer Landwein, sondern saugte ganze Hektoliter Flußflüssigkeit schwammartig auf. Hernach übern Teppichständer gehängt – fertig! Als jederzeit sintfluttauglich erwies sich der mobiliare wie stapelfähige Allzweckcontainer aus Apfelsinenkisten. Ruckzuck evakuier- und austauschbar, Recycling pur, die frühe Versöhnung von Ökologie und Ökonomie.

Der eigentliche Clou aber war das Wasserbett, breiten Bevölkerungsschichten bekanntgewordenes Rammelrequisit der „Schulmädchenreports“. Seine eigentliche Bestimmung trat dabei leider in den Hintergrund. Doch im Ernstfall kann diese Geheimwaffe Tausende von Poldern ersetzen.

Kurzes Szenario: Die Landesregierungen subventionieren die Anschaffung durch eine großzügige Wasserbett-Prämie. Sind alle Anrainer-Haushalte im großen Stil versorgt, werden die leeren Bettschläuche im Alarmfall eingesetzt. Millionenfach mit Hochwasser gefüllt, bändigen sie den wildesten Rhein bis zum Stand von 10,40 Metern (Hersteller-Info).

Und das Aquarium? Erlebte es nur zufällig seine Blüte in den Sechzigern? Keineswegs. Schleierschwanz und Fleckstichling, Schwertträger und Feuerbauchmolch waren die Avantgardisten der Hochwasserhaustierhaltung.

Ähnlich fortschrittliche Konzepte forcieren heute in den Zoologischen Gärten von Basel, Köln und Rotterdam die Aufzucht der Giraffe. Unvergessen ist uns allen „Sammy der Kaiman“, dessen dramatisches Ausbüchsen im brüllheißen Sommer 94 nichts anderes war als ein prophetischer Vorgriff auf den unaufhaltsamen Ablöseprozeß von Hund und Katz durch die Amphibie.

Bleibt die Verdosung der Nahrungsmittel, die vor dreißig Jahren (Serbisches Reisfleisch, Ravioli, Ananas) in allen Geschenkkörben zu bewundern war. In ihrer Doppelfunktion schützt die Dose nicht nur vor Verderbnis im schlammigen Flußwasser, sie läßt sich – ausgegessen – kinderleicht als rettendes Schöpfinstrument einsetzen.

Politisches Fazit: Während dem 89er das Wasser bis zum Hals steht und er ratlos 1-1-0 ins Handy tippt, war der 68er bereits mit allen Wassern gewaschen. Manfredo & Thömmes