Weitere Umverteilung von unten nach oben

■ betr.: „Neue Wege gehen“, taz vom 23. 1. 95

[...] Wie kann es angehen, [...] daß die Mär, in den USA seien mehrere Zehnmillionen hochqualifizierter Arbeitsplätze geschaffen worden, nicht gestrichen wird? Geschafft hat der US-amerikanische Laissez-faire-Kapitalismus den weitgehenden Kahlschlag im industriellen Sektor. Aus der Asche des relativ gut bezahlten, gewerkschaftlich organisierten Stahlkochers steigen, gestutzten Phoenixen gleich, die Lakaien des tertiären Sektors, die für 2,5 Dollar die Stunde Grashalme am Rand der marmornen Villenauffahrten auszupfen.

Damit in der BRD ebensolche Billigstarbeiter wenigstens oberhalb des Sozialhilfeniveaus bleiben, zahlt, so Sihl, so Jakobs, der noch tariflich beschäftigte Arbeitnehmer (wer denn sonst) eben einen weiteren Soli-Beitrag – voilà die „negative Einkommenssteuer“, eine weitere Umverteilung von unten nach oben.

Der „neue Weg“ in die Niederungen des Niedriglohnsektors kommt – läßt man die Theorie mal etwas spazierengehen – einer phantastischen Zunahme des Exploitationsgrades gleich. Den hat Marx bekanntlich als Verhältnis zwischen notwendiger Arbeit und Mehrarbeit bestimmt. Wird die Arbeitskraft in einem Sektor verausgabt, der – um's mal grob moralisch zu werten – für den großen Teil der Gesellschaft keinen Nutzen hat, dann tendiert der Faktor notwendige Arbeit gegen Null und folglich steigt der Grad der Exploitation überproportional.

Der billige Jakob schnürt sein löchriges Säckchen mit dem Sprüchlein „viele Manager sind Teil des Problems“. Ich möchte ergänzen: „Manche taz-Kommentatoren sind Teil des Problems.“ Ulrich Schneider, Berlin