Gesundbeter in Mochovce

Wie die Europäische Entwicklungsbank das geplante slovakische Atomkraftwerk Mochovce rentabel rechnet / PreussenElektra steigt aus  ■ Von Peter Sennekamp

Berlin (taz) – In Bratislava haben am Dienstag Vertreter der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und des slowakischen Energieversorgers SEP vor geladenen Gästen kritische Fragen beantwortet. Eine reine Pflichtübung auf dem Weg zum ersten osteuropäischen Atomkraftwerk, das mit westlichem Geld in Betrieb genommen werden soll.

Österreichs Umweltministerin ließ der Versammlung ausrichten, sie halte dieses Hearing „für nicht ausreichend“. Die öffentlichen Anhörungen über das nur 180 Kilometer von Wien entfernte Projekt, die Österreichs Regierung durchführen wollte, waren gescheitert, weil die slowakischen und französischen Betreiber nur unzulängliche Unterlagen über die Betriebssicherheit der russischen Reaktoren zur Verfügung stellten.

In der Londoner Zentrale der EBRD verhallen solche Proteste seit Monaten wirkungslos. Die Entwicklungsbank und der Staatskonzern Eléctricité de France (EdF) sind fest entschlossen, das Atomkraftwerk von Mochovce fertigzustellen, das die ehemalige Tschechoslowakei plante. Seit drei Jahren ruht die Baustelle wegen Geldmangel.

Am 21. März soll nun über einen Kredit der Entwicklungsbank in Höhe von 412 Millionen Mark entschieden werden. Die satzungsgemäßen Kriterien sind eindeutig: Die Atomreaktoren dürfen nur mit EBRD-Geld zu Ende gebaut werden, wenn sie die wirtschaftlichste Lösung für die slowakische Energieverorgung sind.

Um diesen Beweis zu führen, ließ die Bank eine Wirtschaftlichkeitsstudie umschreiben. Das AKW Mochovce sei „682 Millionen Mark billiger als der nächste Konkurrent mit Gaskombikraftwerken (CCGT)“, heißt es in dem Gutachten, das die Consulting- Firma Putnam, Hayes & Bartlett (PHB) im Auftrag der Bank verfaßt hat.

Doch in den Fußnoten stehen ganz andere Dinge. Dort ist zu lesen, daß „die Ergebnisse vom 19. November 1994 eine Änderung des Originals vom 12. September 1994 darstellen, nachdem durch die EBRD die Zinssätze von zwölf Prozent auf zehn Prozent gesenkt wurden“. Ohne diese Korrektur wäre „der Kostenvorteil um 30 Prozent reduziert worden“, stellen die Wirtschaftsprüfer fest.

So ergab sich nun ein angeblicher Kostenvorteil der Atomanlage gegenüber Gasturbinen von rund 204,6 Millionen Mark. PHB hatte ursprünglich sogar einen Zinssatz von 14 Prozent für realistisch gehalten, da es sich um „unkalkulierbares Risikokapital“ handele. Auch daß die „Ergebnisse der Studie sehr empfindlich von Gaspreisen abhängen“ und sich „bei niedrigen Brennstoffpreisen der Kostenvorteil um 75 Prozent reduziert“, wie PHB erklärt, scheint in London niemanden zu verunsichern. Als Quelle für die der Vergleichsstudie zugrunde gelegten Gaspreise führt PHB Zahlen der Europäischen Investitionsbank (EIB) an. Seltsam nur: Die EIB veröffentlichte am 23. März 1994 weit niedrigere Gaspreise als diejenigen, die als angebliche EIB- Angaben in der PHB-Studie auftauchen.

Würden gar die Preise der jüngst abgeschlossenen Gaslieferverträge zwischen Deutschland und Rußland von etwa 2,36 Dollar statt der unterstellten 3,81 Dollar pro Gigajoule angenommen, wären Gaskraftwerke erst recht günstiger.

Auch der deutschen Veba- Tochter PreussenElektra, die einst mit 100 Millionen Mark in Mochovce einsteigen wollte, findet die Sache heute viel zu riskant. Sie hat ihre Beteiligung zurückgezogen. Unternehmenssprecher Rühland sagt: „Wir haben das Stück für Stück beobachtet und festgestellt, daß die Bedingungen nicht erfüllt werden. Wir haben gesehen, daß die Anlage nicht westlichem Standard entsprechen wird, daß die Entsorgung nicht gesichert ist und daß das AKW Bohunice nicht geschlossen wird.“

Die Kreditgeber waren ursprünglich nur bereit, in Mochovce einzusteigen, wenn dafür die besonders pannenanfälligen Reaktoren von Bohunice vom Netz gehen. Die werden zur Zeit jedoch mit deutscher und französischer Technik nachgebessert. Niemand mag daher an ihre baldige Stillegung tatsächlich glauben.

Nur die Bundesregierung weiß noch nichts von solchen Zweifeln der Energiewirtschaft. Man verlasse sich bei der Kreditzusage voll auf die Untersuchungsergebnisse der EBRD, sagt der zuständige Beamte im Finanzministerium, der deutsche Direktor bei der Entwicklungsbank sei angewiesen worden, „für das Projekt zu stimmen“.