Sturm im Wasserglas

■ Interview mit Sibyll Klotz, Bündnis 90/ Die Grünen, zum Boykott von „Expresso“

taz: Ihre Fraueninitiative ruft zum Boykott auf, falls die Werbeplakate für die Morgensendung „Expresso“ nicht innerhalb kürzester Zeit verschwinden. Läuft die Galgenfrist noch?

Sibyll Klotz: Na, wir hatten etwa so an zwei Wochen gedacht. Dann werden wir verstärkt mobilisieren.

Haben Sie keine dringenderen Anliegen, als sich um diese Plakate zu kümmern?

Es ist ja nicht das einzige, womit wir uns beschäftigen. Die Idee zum Boykottaufruf ist entstanden, weil sich wirklich alle extrem über diese Plakate geärgert haben. Die Stadt ist derartig zugepflastert – das kann man nicht ignorieren. Frauensenatorin Bergmann hat ja bereits vor drei Wochen reagiert und erklärt, die Werbekampagne sei frauenfeindlich. Dem haben sich drei andere angeschlossen, und dann war der Sturm im Wasserglas vorbei. Herr Gafron hat sich überhaupt nicht gerührt. Statt dessen findet er es provinziell, sich darüber aufzuregen, und erklärt, die Frauen seien humorlos. Dabei demonstrieren diese Plakate die klassische Mischung aus Sexismus und Gewalt.

Hängen Sie das Ganze nicht zu hoch? Finden Sie es nicht angemessener, witzig darauf zu reagieren – etwa so wie die taz mit dem erigierten Männerschwanz und dem Spruch „taz-LeserInnen wissen morgens als erste, wo Georg Gafron steht“?

Daß wir keinen flächendeckenden Boykott erreichen, ist uns auch klar. Aber es gibt von verschiedenen Seiten die Bereitschaft, sich uns anzuschließen. Es ist auch mehr eine Imagefrage. Ich denke nicht, daß es in einer Stadt wie Berlin im Jahre 1995 ohne Folgen bleibt, wenn es sich herumspricht, daß diese beiden Unternehmen, Hundert,6 und Kaiser's, unreflektiert oder gewollt frauenfeindlich agieren. Natürlich bringen diese Plakate die Frauenbewegung nicht an den Rand des Abgrunds. Aber wir denken, daß man darauf reagieren muß, damit die nächste Werbeaktion nicht genauso aussieht.

Der Geschäftsführer von Kaiser's fühlt sich mit dem Aufruf zum Boykott ungerecht behandelt. Die Plakate seien auf einer Doppelseite abgedruckt worden, die als Anzeigenplatz verkauft worden sei, sagt er.

Das ist doch kein Freispruch. Die taz druckt doch auch keine Anzeige der Lebensschützer, auch wenn sie dafür noch so gut bezahlt wird. Man muß sich vorher angucken, was man inhaltlich abdruckt. Interview: Jeannette Goddar