Über die grüne Linie

■ Zypern: Erstes Gewerkschaftstreffen

Berlin (taz) – Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren haben sich zyperngriechische und -türkische Gewerkschafter auf der geteilten Mittelmeerinsel getroffen. Auf dem dreitägigen, von der Europäischen Union organisierten Kongreß kamen über 120 Teilnehmer zusammen. Sie repräsentierten die neun zyperngriechischen und die sechs -türkischen Arbeitnehmerverbände. Trotz massiver Widerstände des zyperntürkischen „Präsidenten“ Rauf Rasit Denktaș konnten die türkischen Gewerkschafter am ersten Tag in den griechischen Sektor der geteilten Hauptstadt Nikosia einreisen, am zweiten Tag war es den griechischen Delegierten möglich, über die „grüne Linie“ den türkischen Teil zu besuchen.

In einer gestern verabschiedeten Deklaration verlangen die Gewerkschafter eine Wiedervereinigung des türkisch besetzten Nordens und der Rest-Republik Zypern zu einem gemeinsamen Bundesstaat. Außerdem sprechen sie sich für gleiche Löhne für Angehörige beider ethnischen Gruppen, gleiche Arbeitsbedingungen und das Recht auf eine freie Wahl von Arbeitsplatz und -ort aus. Der Status quo sei nicht akzeptabel.

Hintergrund der Forderungen ist die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung der beiden Landesteile. Im prosperierenden Süden liegen die Löhne etwa viermal so hoch wie im besetzten Norden. Die international nicht anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“ verweigert in aller Regel eine Einreise der griechischen Insulaner in seine Gänsefüßchenrepublik. Auch lehnt die zyperntürkische Seite für den Fall einer Wiedervereinigung ein freies Niederlassungs- und Reiserecht strikt ab.

Das Treffen war auch symbolisch besonders wichtig. Die früher gemeinsame Gewerkschaft PEO war durch den Druck nationalistischer Chauvinisten schon Ende der 50er Jahre zerbrochen. Gewerkschafter, die damals für eine gemeinsame Zukunft für alle Zyprioten eintraten, wurden von türkischen Terrorgruppen ermordet. Seit der Teilung Zyperns können sich griechische und türkische Zyprioten fast nur noch im Ausland begegnen. Klaus Hillenbrand