Schwieriges Mahnmal

■ Wettbewerb für ein Denkmal der ermordeten Juden Europas in Entscheidungsphase / Nagel gegen "imposante Zeichen"

Bescheiden oder monumental, anrührend oder aufklärend, Architektur der Bitternis oder Skulptur der Mahnung? Kein anderer aktueller Bauwettbewerb stellt eine Jury gegenwärtig vor eine schwierigere Entscheidung, als der für das geplante „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Bis zum Freitag dieser Woche soll das Preisgericht aus Architekten, Künstlern und Politikern unter 527 eingegangenen Arbeiten auswählen, wie die Gedenkstätte auf dem Gelände der ehemaligen Ministergärten südlich des Brandenburger Tors einmal gestaltet werden könnte. Unter anderen gehören Walter Jens, Stefanie Endlich und die Initiatorin des Denkmals, Lea Rosh, der israelische Architekt Arie Rahamimoff und der Berliner Senator Wolfgang Nagel (SPD) dem Preisgericht an. Ausgelobt wird der Wettbewerb vom „Förderkeis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas“, dem Bund und dem Land Berlin.

Wie schwierig die Entscheidungsfindung für das Holocaust- Mahnmal ist, verdeutlicht der Auslobungstext: In der Nachbarschaft zur früheren Reichskanzlei Hitlers, dem Hauptquartier des nationalsozialistischen Terrors und der Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubes, soll einerseits „ein Ort der Trauer und des Eingedenkens für die Opfer“ entstehen, schreibt Harry Szeemann, Kunstkritiker aus der Schweiz. Andererseits dürfe das Areal nicht im stilisierten Trauerpathos versinken, sondern müsse ein „Zeichen setzen für ein neues Kapitel menschlichen Zusammenlebens“, wie es im Ausschreibungstext heißt.

Nach Ansicht von Bausenator Nagel kommt das zentrale Denkmal für die ermordeten Juden „im Land der Täter spät“. Es könne bei dem Wettbewerb aber nicht darum gehen, mit einem „imposanten Zeichen ein für allemal einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu setzen“. Vielmehr müßten sich die Deutschen der besonderen Verantwortung für die Nazi-Verbrechen bewußt bleiben.

Im Vorfeld des Wettbewerbs hatte es Streit zwischen den Initiatoren und anderen Opfergruppen gegeben, die sich ausgegrenzt fühlten. Für Unmut unter den Wettbewerbsteilnehmern sorgte auch die Tatsache, daß international renommierte Künstler zusätzlich „eingeladen“ wurden und dafür ein Honorar erhielten: unter ihnen Rebecca Horn, Richard Serra oder Günther Ücker. Das Denkmal soll ab 1996 realisiert werden. Seine Kosten sollen sich auf 15 Millioen Mark belaufen. Rolf Lautenschläger