Natürlich ist mal wieder der Winter schuld

■ Erneut 3,5 Millionen Menschen arbeitslos / Laut Jagoda „saisonal üblich“

Nürnberg (taz) – Ende Dezember waren in der Bundesrepublik 3.559.700 Menschen ohne Arbeit. 129.400 mehr, als im Monat zuvor. Für Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Nürnberg, kein Grund zur Beunruhigung. Der Winter sei schuld, betonte Jagoda und meinte nicht seine starke Erkältung, sondern den Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Es halte sich aber alles im „saisonal üblichen Rahmen“.

Obwohl die Arbeitslosigkeit in den alten Bundesländern im Jahresdurchschnitt 1994 mit 2,556 Millionen Erwerbslosen um 285.000 über dem Durchschnitt des Vorjahres lag, folgerte Jagoda aus dem Jahresverlauf, daß es „langsam aufwärts“ gehe. Der Beschäftigungsabbau sei zum Stillstand gekommen, die Arbeitslosigkeit habe in den letzten Monaten des Jahres „nur noch wenig zugenommen“. Nur das produzierende Gewerbe und der Handel blieben Stiefkinder des Aufschwungs. Bei letzterem fehle einfach die private Kaufkraft.

Die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern bezeichnete der BA-Präsident zwar als „nach wie vor gravierend“, aber die Talsohle sei „endlich überwunden“. Im Durchschnitt waren dort 1994 1,142 Millionen Arbeitslose gemeldet, ganze 7.000 weniger als im Jahr zuvor. Im Dezember sind die Arbeitslosenzahlen gegenüber dem Vormonat immerhin um 34.200 auf 1.014.600 geklettert, aber auch dies sei eine „übliche Größenordnung“.

Angesichts verstärkter privater Konkurrenz im Arbeitsvermittlungsgeschäft nutzt Jagoda Monat für Monat die Vorstellung der aktuellen Arbeitsmarktdaten, um auf die Leistungen seiner Behörde hinzuweisen. Die könne mit knapp 2,4 Millionen Vermittlungen im Westen und 825.000 im Osten einen „neuen Rekord“ vermelden. Außerdem hätten die arbeitsmarktpolitischen Instrumente wie Arbeitsbeschaffungs- und Fortbildungsmaßnahmen die Arbeitsmärkte in den alten Ländern um eine halbe Million, im Osten gar um 1,2 Millionen zusätzlich entlastet. Dabei habe die BA zum Wohle des Bundesfinanzministers eifrig gespart. Von dem auf 17,6 Milliarden festgelegten Bundeszuschuß habe man nur 10,2 Milliarden in Anspruch genommen. „Wir haben nicht auf Kosten der Armen in Deutschland gespart“, betonte Jagoda, man habe nur im Haushaltsansatz mit höheren Arbeitslosenzahlen gerechnet. Eine Prognose für 1995 wagte er nicht. Er warnte aber vor allzu optimistischen Erwartungen. Als möglichen Lichtblick wertete Jagoda die Pflegeversicherung. Die könne langfristig etwa 300.000 neue Jobs mit sich bringen. Bernd Siegler