■ Tour d'Europe
: Kleine Medien als Kulturgestrüpp

Mehr als 40.000 Presseorgane bringen, so eine Erhebung der Brüsseler Behörden, täglich oder wöchentlich alleine innerhalb der Europäischen Union ihre Hefte oder Magazine, Tageszeitungen oder – via Äther – ihre Radio- oder Fernsehsendungen auf den Markt (wobei die Statistik nur Organe mit einer bisherigen Lebensdauer von mehr als drei Jahren einrechnet). Davon arbeiten, wiederum nach den Erkenntnissen der Europa- Verwalter, allenfalls 500 bis 1.000 kostendeckend, das heißt sie werden in der Regel mit Käufer-, Abonnenten- und Inserentengeldern finanziert.

In einigen Ländern, wie etwa in Deutschland, ist der Großteil der überregionalen Zeitungen noch im Eigentum „reiner“ Verlagshäuser, während etwa in Italien nahezu alle großen Privatmedien in mächtige Mischkonzerne eingebunden sind; nur auf dem Gebiet der kleineren Medien – von Stadtteilzeitungen bis zu regionalen TV-Sendern – ist die Trägerschaft noch überwiegend verlegerisch gestaltet.

Der Großteil der Zeitungen, Zeitschriften und elektronischen Medien ist entweder schon aufgrund seiner Konstruktion eher auf die rein ehrenamtliche Mitarbeit der Redakteure und Hersteller angewiesen, oder er lebt von Zuschüssen einzelner Verbände oder Interessengruppen. Einige, wie die taz oder die italienische il manifesto, aber auch die erst vor einem Jahr gegründete liberalkonservative La Voce, sind weitgehend selbstverwaltet und durch breit gestreute Anteilsscheine auch nicht von einzelnen Firmen oder Eignern dominierbar.

Viele der kleineren Organe wurden in den späten 60er und in den 70er Jahren gegründet, als sich die traditionellen Medien unbeweglich und neuen Themen zu wenig aufgeschlossen zeigten; einige davon sind bis heute Bannerträger bestimmter politischer Ideen (il manifesto, gegründet 1969, 1971 zur Tageszeitung geworden, Libération, gegründet 1973, die tageszeitung, gegründet 1979). Der Erfolg kleiner randständiger Printmedien hat alsbald jedoch auch große Verleger wie Carlo Caracciola (L'Espresso) auf den Plan gerufen: Berühmteste Neugründung der 70er Jahre war seine La Repubblica, die 1976 entstand und mittlerweile dem Flaggschiff des italienischen Journalismus, dem über 100 Jahre alten Corriere della Sera, den ersten Platz im Tagesverkauf streitig macht.

Die späten 70er Jahre waren dann europaweit auch die Gründerjahre ausgedehnter Privatradios und –fernsehsender, zunächst vor allem in Italien (gefolgt von Frankreich und Deutschland), wo eine Gesetzeslücke zunächst lokale und regionale Sender zuließ und sich bald mehr als 800 kleine Sender tummelten – was rasch zu einem mächtigen Sendersterben und zu einer noch mächtigeren Konzentration führte, aus der am Ende Silvio Berlusconi als faktischer Monopolist auf dem Gebiet landesweiter Ausstrahlung hervorging. Dennoch gibt es auch heute noch mehr als 30 Privatfernsehsender und etwa 250 lokale Radios.W.R.