Mit subtilen Methoden den Druck erhöhen

■ Mit Rationalisierung, Schikane und Personalabbau startet die Post in die Privatisierung

Im zentralen Postamt 11 in der Möckernstraße arbeiten 1.900 Menschen; davon sind 80 Prozent Teilzeitkräfte. Vier Beschäftigte skizzieren die Probleme beim Übergang in die Privatisierung.

taz: Welche neuen Anforderungen gibt es?

R.: Eigentlich stehen wir jetzt vor den üblichen Problemen: Personalknappheit, hohe Postmengen, unfähige und unwillige Vorgesetzte, überforderte GewerkschafterInnen. Neu ist, daß jetzt massenhaft Leiharbeiter eingestellt werden, um Stellen zu sparen.

M.: Schließlich kosten Leiharbeiter das Postamt nur 28 Mark die Stunde.

R.: Gleichzeitig wird an Sachmitteln gespart: im Postamt fehlen Brandschutzvorrichtungen, Fahrstühle sind seit Monaten defekt, beschädigte Transportbehälter können kaum ersetzt werden und und und... All das weiß die Leitung. Die Beschwerden und die Klage der Gewerkschaft vor Gericht werden ignoriert. So verschlechtert die Post willentlich den Service zusätzlich.

Ist das Schlamperei, oder steckt dahinter ein Konzept?

H.: Das ist Konzept. Daß wir heute schon mit einem „Krankenüberwachungsdienst“ konfrontiert sind, dessen Aufgabe es ist, in Hausfluren hinter ordnungsgemäß krankgeschriebenen KollegInnen hinterherzuspionieren, daß eine Kienbaum-Unternehmensberatung GmbH durchs Postamt streunt – all das sind Zeichen in die gleiche Richtung.

C.: Der Hauptgrund für den Einsatz der LeiharbeiterInnen ist auch, daß die Post hier erstmals „Hire and Fire“-Arbeitsverhältnisse testet.

Wie steht die Postgewerkschaft zur Privatisierung der Bundespost, und welche Auswirkungen hat das für die Beschäftigten des Postamts 11?

H.: Die Privatisierung ist beschlossene Sache, und die Gewerkschaft kann nur noch für Schadensbegrenzung durch Sozialpläne sorgen.

M.: Die Post hat schon angekündigt, daß sie durch Modernisierung – Stichwort „Post 2000“ – bis zum Jahr 1998 massiv Stellen einsparen will. Im Postamt 11 wird von zwei Dritteln der Frauen und einem Drittel der Männer gesprochen. Für die Betroffenen sollen durch den Sozialplan der Gewerkschaft akzeptable Bedingungen geschaffen werden, wie z.B. Vorruhestandsregelung, Abfindungen usw. Die Krux ist aber, daß man damit den Stellenabbau in der vorgesehenen Größenordnung bis zum Jahr 98 nicht bewerkstelligen kann, und da fängt die verdeckte Rationalisierung an.

R: Weil auf immer weniger Personal immer mehr Post zukommt, verschärfen sich die Arbeitsbedingungen. Viele ArbeiterInnen halten dem Druck nicht mehr stand und gehen. Meiner Meinung nach steckt auch dahinter System. Es bleibt ja nicht bei erschwerten Arbeitsbedingungen. Wer nach Meinung der Amtsleitung der Arbeitsnorm nicht entspricht, der wird unter Druck gesetzt.

Arbeitsnormen sind doch tarifrechtlich festgelegt. Die Gewerkschaft hat dadurch die Möglichkeit, bei Schikane einzugreifen.

M.: Rechtlich gesehen schon. Es ist ja nicht so, daß die Post dauernd gegen das Tarifrecht verstößt, aber es gibt subtilere Methoden, den Druck auf Beschäftigte zu erhöhen. Wenn du den ArbeiterInnen dauernd suggerierst, daß ihre Arbeitsleistung nicht stimmt; sie zu Dienstgesprächen zitierst; ihnen den Eindruck vermittelst, ihr Verhalten könnte Konsequenzen haben, die aber nicht eintreten, dann kann zwar der Personalrat die ArbeiterInnen über ihre Rechte aufklären...

C.: Da aber keine Rechte verletzt wurden, kann er auch nicht dagegen vorgehen. Was bleibt, ist eine zunehmende Verunsicherung der Beschäftigten, die sich diesem psychologischen Druck nicht entziehen können.

H.: Man muß dazu anmerken, daß das Tarifrecht für Teilzeitbeschäftigte sehr lückenhaft ist. Nehmen wir nur den Punkt der Überstunden für Teilzeitkräfte. Während Vollzeitkräfte sehr begrenzt zu Überstunden herangezogen werden können, kann eine Teilzeitkraft bei der Post praktisch jederzeit zu Überstunden verpflichtet werden.

R.: Früher wurden Überstunden normalerweise bei besonderen Engpässen wie Ostern, Weihnachten angesetzt, was jedeR nachvollziehen kann. Jetzt setzt die Post auch Überstunden an, um die knappe Personaldecke nicht aufstocken zu müssen.

H.: An und für sich wäre ja gegen Überstunden und somit mehr Freizeitausgleich oder Geld nichts zu sagen. Aber viele Teilzeitkräfte sind ja nicht aus Vergnügen Teilzeitkräfte.

R.: Teilzeitkräfte sind oft StudentInnen und alleinerziehende Mütter mit Doppelbelastung durch Arbeit und Kind. Das weiß die Post natürlich auch, aber sie nimmt keine Rücksicht. Der letzte Schrei ist jetzt der Vorschlag, nachts Betten im Postamt für kleine Kinder aufzustellen, die die Mütter dann nach Feierabend – häufig gegen Mitternacht – aus dem Schlaf reißen und nach Hause bringen sollen.

M.: Da sind wir wieder bei der schleichenden Rationalisierung. Wer die Überstunden nicht leisten kann, der muß sich eben einen anderen Arbeitsplatz suchen. Die Post schiebt einen riesigen Berg von geleisteten Überstunden vor sich her, vergütet ihn aber nicht durch Freizeitausgleich, obwohl die Beschäftigten darauf einen tarifrechtlichen Anspruch haben. Die Überstunden werden ausbezahlt, und man spart so Arbeitsplätze ein. Interview: Matthias Bernt