„Entscheide dich, Badezimmer oder ich!“

■ Iris und Gerd, geschieden, zur Frage, wie man sich einvernehmlich trennt

Iris und Gerd waren 20 Jahre verheiratet, seit zweieinhalb Jahren leben sie getrennt. Die Scheidung ist eingereicht. Auf Unterhalt oder Rentenansprüche haben beide verzichtet. Nur für die 19jährige Tochter, die im Ausland zur Schule geht, zahlen sie gemeinsam. Iris ist Stadtplanerin, Gerd plant Spielplätze. 1979 kamen die beiden aus der DDR in den Westen. Sie sind anfang vierzig. Vor der Heirat mit Iris hatte Gerd bereits eine Ehe hinter sich. Das Gespräch, zu dem auch die Tochter kam, fand in der ehemals gemeinsamen Wohnung der beiden statt, in die sie viel Arbeit und Geld investiert haben. Heute lebt Iris alleine in der Wohnung.

Er: Massiv wurden unsere Schwierigkeiten ungefähr ein Jahr, bevor ich ausgezozgen bin. Damals hatte ich überall Probleme, vor allem im Beruf. Ich hab' mich eingeigelt und war nicht mehr ansprechbar.

Sie: Als er 40 wurde, hat er angefangen zu überlegen, wie viele Bücher er in seinem Leben noch lesen und wie viele Reisen er noch machen kann. Richtige Midlife-crisis. Er hat am Schreibtisch gesessen, und ich bin durch die Gegend gezogen. Hab' aber seinen Rückzug nicht als Bedrohung empfunden.

Er: Meine Sehnsucht war, nicht mehr gegeneinander zu kämpfen.

Sie: Ich hab' dir immer gesagt, daß ich es nie als Kampf gesehen habe. Noch heute sehe ich es nicht so.

Er: Ich habe verschlüsselte Botschaften von mir gegeben ...

Sie: ... die bei mir nicht angekommen sind.

Er: Die Wohnung hat einen Keil zwischen uns getrieben. Die ganze Energie, die wir da reingesteckt haben. Als Iris das Badezimmer renovieren wollte, habe ich gesagt: Entscheide dich, Badezimmer oder ich!

Sie: Er hat das zwar gesagt, daß er das mit dem Badezimmer nicht will ...

Er: ... das hat auch was mit ernst nehmen zu tun!...

Sie: ... aber du hast es nicht deutlich genug gesagt. Und als Gerd dann angekündigt hat, daß er nicht mehr mit mir zusammenleben will, konnte ich es nicht fassen. Ich habe immer gehofft, daß er sich besinnt – ich muß dazu sagen, daß ich zu der Zeit ein Verhältnis hatte. Ich hab' gedacht, Gerd weiß es. Aber es war für ihn die absolute Verletzung.

Er: Ich habe mich gewundert, wie ich auf den Seitensprung reagiert habe. Ich dachte, ich wäre kein Macho.

Sie: Ich hätte ihn manchmal schütteln können. Ich wollte den anderen Mann doch gar nicht.

Er: Damals sind wir zu Pro familia gegangen. Das war der erste Rettungsversuch, ungefähr ein Dreivierteljahr, bevor ich auszog.

Sie: Der zweite Rettungsversuch war eine Woche Urlaub auf Kreta.

Er: In unserem letzten gemeinsamen Jahr haben wir mehr miteinander gesprochen, als sonst. Ich hatte Aggressionen, aber mehr gegen mich selbst. Beide haben wir versucht, unsere Wut nicht hochkochen zu lassen.

Tochter: Sie haben es immer gut ruhig gehalten. Wenn sich Eltern von meinen Schulfreundinnen getrennt haben, flogen immer voll die Fetzen.

Sie: Meine Tochter hat mir die ganze Schuld gegeben. Gerd hat ihr immer versucht zu erklären, daß wir beide schuld haben.

Er: Ich hab' in Iris ein bißchen mehr den Buhmann gesehen, sagen wir 51 zu 49 Prozent. Aber eigentlich fühlte sich jeder als Verlassener. Auch unsere Sachen zu trennen war nicht einfach, aber kein unlösbares Problem.

Sie: Meine Wut wurde nie richtig schlimm, weil ich mich eben auch schuldig gefühlt habe.

Er: Es gab schon Momente, wo ich aufs Bett gehämmert und in die Decke gebissen habe. Aber ich wollte keinen Kampf, um nicht kaputtzumachen und nicht kaputtzugehen. Insgesamt haben wir uns unheimlich am Riemen gerissen.

Sie: Ich glaube schon, daß das so richtig war. Diese zwanzig Jahre waren ja toll, und ich habe versucht, sie als Abschnitt in meinem Leben zu betrachten. Nach seinem Auszug haben wir viel telefoniert und uns auch immer mal wieder gesehen.

Er: Ich hatte das Gefühl, daß ein brachiales Ende die Zeit vorher zerstören würde. Nach meiner ersten Scheidung war ein Gespräch nicht möglich, und das war ganz schlimm. Auch bei Iris und mir gab es schon genug Trümmer. Und ich wollte sie nicht als Feindin haben. Aber ich kann ihr ja sagen: Mir fehlen manche Sachen schon. Auch die Vollkommenheit der Wohnung.

Sie: Als er ausgezogen ist, habe ich gedacht: Das A und O ist, zu begreifen, daß der andere sich entschieden hat. Aber richtig finde ich es bis heute nicht.

Er: Weh tut's manchmal immer noch. Aber meine Vorstellung von Gemeinsamkeit sind anders.

Sie: Wir sind uns ja einig mit der Scheidung und wollen nur noch das Papierchen.

Er: Bis auf den Flop mit Pro familia haben wir uns nie beraten lassen, sondern alles alleine geregelt. Wir wollen nicht, daß sich fremde Leute bereichern und einmischen. Ich bin zwar in diesen Verein „Humane Trennung und Scheidung e.V.“ eingetreten. Aber nur um zu erfahren, ob man den Rechtsanwalt und die Gerichtsverhandlung sparen kann. Doch das geht wohl nicht. Das Gespräch führte Bascha Mika