■ Staatsanwälte, die nicht pflichtgemäß ermitteln, Geheimdienste, die am „Runden Tisch“ Platz nehmen wollen –
: Was sind das für Sachen?

Die Runden Tische waren nicht nur in der DDR, sondern in den Ländern des Ostblocks, die sich von staatlicher Bevormundung befreiten, eine Errungenschaft. Aber nirgends saßen die offiziellen Vertreter der Geheimdienste am Runden Tisch. Die wichtigste Tat des Runden Tisches in Ost-Berlin war vielmehr der „Sturm auf die Normannenstraße“.

Auch der Runde Tisch ist nicht dagegen gefeit, manipulativ verwertet zu werden. So hat der leitende Lübecker Oberstaatsanwalt dieser Tage davon gesprochen, zur Erforschung des Todes von Uwe Barschel mit den Spitzen des Bundesnachrichtendienstes, des Verfassungsschutz und der Bundesanwaltschaft einen „Runden Tisch“ zu bilden. Staatsanwalt Heinrich Wille folgt damit, so seine Worte, „einer Anregung aus dem Bundeskanzleramt“.

Man könnte – wie einst Fritz Teufel – sagen: „... wenn's der Wahrheitsfindung dienlich ist!“ Doch die Strafprozeßordnung schreibt fest: Die Staatsanwaltschaft ist eine Strafverfolgungsbehörde. Mit ihr darf es keinen Runden Tisch geben!

Staatliche Behörden – wie Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft – waren und sind, sofern sie etwas über eine etwaige Verstrickung der Stasi in den Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten Barschel (im Zusammenhang mit seinen DDR-Reisen) wissen, von sich aus verpflichtet, der Staatsanwaltschaft Lübeck ihr Amtswissen mitzuteilen. Nach geltendem Recht ist es die Aufgabe der Staatsanwaltschaft Lübeck, solchen Hinweisen nachzugehen. Dabei sind auch Informanten der „Dienste“ (solange die Strafprozeßordnung noch gilt) einzeln zu vernehmen. Es kommt in der Strafverfolgung gerade nicht darauf an, wie am Runden Tisch zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen, sondern widersprüchliche Angaben der „Dienste“ im Blick auf eine mögliche Anklage auszuwerten.

Eine Staatsanwaltschaft, die das nicht sieht, verkennt ihre Aufgabe. Geheimdienste, die an einem Runden Tisch sitzen wollen, sind ein Unding. Deshalb stellt sich die Frage: In welcher Situation befinden wir uns, wenn die Staatsanwaltschaft nicht vernimmt, sondern (auf „Anregung“ aus dem Bundeskanzleramt) am Runden Tisch mit Geheimdiensten reden will – nicht mit dem Ziel der Anklageerhebung, sondern der Unterrichtung eines Untersuchungsausschusses? Jürgen Seifert

Bürgerrechtler, Jurist, Politikwissenschaftler an der Uni Hannover