Wand und Boden
: Von Trunk und Sitte

■ Kunst in Berlin jetzt: Mendell & Oberer, Lanzinger und Büsch

Mendell & Oberers „l'art pour l'art“ beim Internationalen Design Zentrum Berlin ist Kunst um der Kunst willen: Plakatkunst im Dienst der Museumskunst, im Dienst von Institutionen, die „fast ausschließlich von toten, weißen und männlichen Europäern geschaffen“ wurden, wie im Katalog korrekt angemerkt. Bayerische Staatsgemäldesammlung, Staatsoper, Neue Sammlung, Villa Stuck: Pierre Mendell und Klaus Oberer arbeiten am anderen Ende der Palette urbaner, öffentlicher Kommunikationsformen, deren aktuellstes Medium der billige, fotokopierte Flyer für die Subkultur ist. Auch die Straße kennt High and Low. Mendell & Oberer repräsentieren High Graphic Art, und in diesem Sinne genießen sie in München den Ruf, den Ott und Stein in Berlin haben. Das Prinzip ihrer zu Beginn der 60er Jahre entwickelten Plakatgestaltung funktioniert interessanterweise noch immer. Einfache signalhafte Farben, reduzierte Formen, keine fotografische Reproduktion der annoncierten Ausstellungsobjekte oder Ereignisse, sondern ihre abstrahierende Übersetzung in Zeichen und Schrift. Ein weiterhin verblüffendes Spiel mit der Fläche, moderne Selbstthematisierung im raumsimulierenden Trompe-l'÷il. Um so souverän jenseits der Mode zu agieren, immerhin, muß man sie gut kennen.

Bis 25.1., Mo-Do 9-17, Fr 9-14 Uhr, Kurfürstendamm 66.

Selbstthematisierung ist auch auffälliges Charakteristikum von Gaststätten. Am bekanntesten die mit Künstlerfotografien samt Signatur gepflasterten Wände von Künstlerkneipen, die sie als Künstlerkneipen beglaubigen. Für ihre Werkreihe über Inszenierungen des Alltags hat Pia Lanzinger die Bilderwände einiger Berliner Gaststätten dokumentiert: „b) Gepflegte Atmosphäre“, derzeit in den Kunst-Werken. Ein Stadtplan mit Fähnchen drauf, die Kneipen im Ost- und Westteil der Stadt markieren, zehn auf quadratischen Karton gezogene Farbfotografien und verstreute Bierdeckel ergeben das Environment. Die Bierfilze sind mit Anmerkungen von Diedrich Diederichsen, Pierre Bourdieu und schließlich von Franz Dröge/Thomas Krämer-Badoni versehen: „Die europischen Trinksitten erweisen sich für viele der unterworfenen Kulturen als ausgesprochen tödlich.“ Vielleicht greift deshalb der alkoholausschenkende Kurator gerne auf Kulturgeschichtliches zurück. In Berlin ist Altberlin der Hit. Pikanterweise sind Zille-Stuben in Luxus-Hotels angesiedelt und mit teuren, unsäglichen (Bronze-)Figuren aus dem Milljöh geschmückt, während das Foto von Harald Juhnke die Kleinbürgerkneipe ziert, auf spießiger Rauhputzwand, über Marmor imitierenden Resopalleisten. Bilder als Identifikationsangebot auch in der alternativen Szene, wo Kneipenbesucher auf Polaroids zu Familienmitgliedern degenerieren: „Die Kneipenkultur ist keine Gegenkultur, obwohl sie das zeitweise werden kann.“ Zumindest auf der Ebene der Ausstellungsorganisation, wie Pia Lanzingers infames Arrangement deutlich macht.

Bis 15.1., Di-So 14-18 Uhr, Auguststraße 69, Mitte.

Die Kneipe fehlt auf den 32 Zeichnungen der „Zustände von Instabilität, wo man den Boden unter den Füßen zu verlieren scheint.“ Thomas Büsch hat sie um acht Objekte ergänzt, „deren Gebrauch das Verhalten beschreibt, das schließlich einige Eigenschaften von Hysterie, Bimodalität und Divergenz zum Ausdruck bringt.“ Mit sado-masochistischen Sexritualen hat das sehr viel weniger zu tun, als die geschnürten, an Ketten hängenden Leder- und Latexhüllen zunächst andeuten. Licht in das Dunkel solcher Vergnügungen bringen seine Arbeiten bei Andreas Weiss dennoch. Die sparsam aquarellierten Bleistiftzeichnungen gelten technischen Masken, Raumfahrt- und Taucheranzügen, Lederkorsetts, die den Menschen – nicht nur zu sexuellen Zwecken – in die Schwebe bringen, Flugzeugträger, die Karte einer Insel, erste primitive Flug- und Tauchgeräte, afrikanische und technische Helme. Wagemut und Vertrauen gehören im extra-uterinären Stadium des Menschen dazu, sich diesen Apparaten auszusetzen. Denn tendenziell handelt es sich um eine phantastische Ausstellung über die Macht der Mutter, nabelschnuranaloge Schläuche, gebärmutterähnliche Raumkapseln bieten Schutz und Versorgung. Dem Künstler ist dieser Zusammenhang klar; weniger allerdings, wo der Ort ist, an dem erstmals über Leben und Tod entschieden wird. Daß der Embryo „in the mother's stomach“ schwimme, klingt befremdlich. Brigitte Werneburg

Bis 21.1., Nollendorfstraße 11-12, Di-Fr 14-19, Sa 11-15 Uhr, Schöneberg.