Sanssouci
: Nachschlag

■ Grass, Fries und Hans-Georg Werner in der „literaturWERKstatt berlin“

Günter Grass Foto: Andreas Schoelzel

Fritz Rudolf Fries verstand sich nur als Gesprächsleiter, hatte aber keine Fragen an Hans-Georg Werner. Hans-Georg Werner verstand sich nur als Germanistikprofessor im Kreise von Schriftstellern, hatte aber keine erkennbare Position zu Günter Grass. Das verstand Günter Grass sehr bald und erwartete nichts mehr von Hans-Georg Werner, wohl aber am Ende seines Plaudersolos von Fritz Rudolf Fries. Fritz Rudolf Fries jedoch winkte bescheiden ab, und so folgte in der Pankower „literaturWERKstatt“ eine weitere Grass-Runde vor dem imaginären Kamin, dessen Feuer nur müde vor sich hinglomm.

Der Mann mit dem Walroßbart sieht aus wie auf den Verlagsfotos – was für ihn spricht. Leider redet er auch so, wie er aussieht, wenn man ihn reizt oder nicht klug fragt. Dann schlummert das polemische Talent und drohen die barocken Satzkaskaden lustlos ins Taumeln zu geraten. Nach einer kurzen Lesung aus dem „Treffen in Telgte“ bramarbasierte Grass ein wenig mürrisch in seinen Bart, beginnend bei der Gruppe 47 und endend bei der Vereinigung Deutschlands mit ihren verfassungsrechtlichen Problemen. In den 60er Jahren hätten die Mächtigen, Brandt und Schiller, noch auf die Schriftsteller gehört. Von dieser Beziehung zwischen Geist und Macht wollte Fries gern mehr hören. Denn in der DDR seien die Versuche der Akademie, angesichts der Partei Partei zu ergreifen, Gespräche unter Konformisten gewesen. Grass wich aus, und Fries faßte nicht nach – Ende.

Grass weiter: über die Sprache, die statt der von manch überregionalem Feuilleton geforderten Nationalliteratur die Kulturnation begründe; über den Literaturbetrieb, der wichtiger werde als das Kunstwerk; und, unverhofft konkret, über den Skandal, daß 4.000 Ausländer wie Kriminelle in Abschiebehaft säßen.

Des Lebens „Unterfutter“ bebilderte so das Thema des Abends: „Geschichte als poetischer Entwurf“. Grass hatte dafür eine lebensweise Antwort auf die Frage, welche Funktion die Literatur, diese „wohlfundierten Lügengeschichten“, habe: Ein Leser habe ihm einmal bekannt, seit der Lektüre von „Katz und Maus“ onaniere er fröhlicher.

Immerhin, einmal hat er, kaum vernehmlich, geraunzt. Bei manchen Fragen, bekannte Grass, falle es schwer, über ihrem Niveau zu antworten. Dem erlaubt sich der Rezensent mit einem Stoßseufzer zuzustimmen. Jörg Plath