HEW will raus aus dem Plutonium-Karussell

■ AKW-Betreiber fordert von Kieler Regierung, Zwischenlagerung zu akzeptieren

Hamburg (taz) – Schleswig- Holsteins Energieminister Claus Möller (SPD) erhielt brisante Post von den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW), wie er der Kieler Kabinettsrunde mitteilte. Der Hamburger Stromversorger „erwäge“ den von Möller lange geforderten Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente, wurde aus der MinisterInnenrunde bekannt.

Doch der Stromversorger stellte eine Bedingung: Möller müsse die Deponierung abgebrannter Brennelemente in den Zwischenlagern im niedersächsischen Gorleben und im nordrhein-westfälischen Ahaus als „Entsorgungsnachweis“ akzeptieren, wie ihn das Atomgesetz fordert. Und das bitte ein bißchen dalli. Denn die HEW wollen noch in diesem Jahr den Vertrag mit der Wiederaufarbeitungsanlage im britischen Sellafield kündigen. Danach erhöht sich die fällige Vertragsstrafe nach Berechnungen der Hamburger Grünen um 50 Millionen Mark.

Die bundesdeutschen Energieversorger wollen vor allem aus Kostengründen aus der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente aussteigen. 3,3 Milliarden Mark könnten sie laut einem internenen Papier durch den Umstieg von der Wiederaufarbeitung auf die direkte Endlagerung des Atommülls einsparen. Doch mit einer Kündigung der Wiederaufarbeitungsverträge würden der HEW die Entsorgungsnachweise und damit die Betriebsgenehmigungen für ihre Atommeiler wegkippen. Einziger Ausweg: Schleswig-Holstein akzeptiert als erstes Bundesland eine Atommüll-Zwischenlagerung als Entsorgungsnachweis. Das ist rechtlich seit einer Novelle des Atomgesetzes im Sommer dieses Jahres möglich.

In Kiel löste die HEW-Offerte hektische Betriebsamkeit aus. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt wird erwartet, daß die HEW auf ihrer heutigen Aufsichtsratssitzung die Ausstiegspläne öffentlich machen werden. Der Kieler Energieminister Möller ist nach Informationen aus der Kabinettsrunde durchaus geneigt, den Entsorgungsnachweis zu akzeptieren, um den HEW den Ausstieg aus dem Plutoniumkarussell zu ermöglichen. Doch zuvor müßten die HEW viele Detailfragen zur Zwischenlagervariante klären.

Ein größeres Problem für Möller: Akzeptiert er die Zwischenlagerung in Gorleben, fällt er seinem niedersächsischen Parteifreund Gerhard Schröder in den Rücken. Weil die HEW monatelang nicht zu Potte kamen, setzen sie nun der Kieler Regierung jedoch die Pistole auf die Brust. Lediglich La Hague, wo die Brunsbüttler und Brokdorfer Brennstäbe recycelt werden, soll eine Fristverlängerung um ein halbes Jahr zugesagt haben. Die HEW sollen dafür offeriert haben, die WAA in La Hague künftig zumindest als Zwischenlager zu nutzen, sie so weiter am Millionengeschäft um die norddeutschen Atomabfälle zu beteiligen. Die Sellafield-Betreiber – hier läßt Krümmel aufarbeiten – aber stellten sich stur. Nachdem der Stromkonzern in die Verhandlungssackgasse tappte, wird nun die Zeit knapp, um den 50 Millionen Mark Mehrkosten für den Vertragsausstieg noch zu entgehen. Die Zeche für das HEW-Mißmanagement müßten die Stromkunden zahlen. Marco Carini