■ Niedersachsen: Das Ende einer kleinen, feuchten Affäre
: 99 kleine Bier und 89 Korn

Hannover (taz) – Eine kleine, aber politisch wie menschlich durchaus lehrreiche Affäre ist dieser Tage in Niedersachsen vorschnell zu Ende gegangen. Nach nur sechs Tagen, die sicher angefüllt waren mit intensiven Recherchen, hat die Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungen wegen versuchten Betruges gegen Karl- Heinz Funke, seines Zeichens Landes-Landwirtschaftsminister, wieder eingestellt. Kaum hatte Gerhard Schröder die Beurlaubung seines Kabinettsagrariers wieder aufgehoben, erklärte Funke, es sei „geradezu menschenverachtend“, wie die CDU-Opposition „aus einer zweitägigen agrarpolitischen Klausurtagung des Arbeitskreises Landwirtschaft der SPD-Landtagsfraktion ein privates Besäufnis unter Genossen gemacht hat“. Das paßte zwar schon rein sprachlich nicht zum dicken Funke, der ja auch Gedichte schreibt und in lyrischer Art Frauen mit Spargel und Kühen vergleicht. Zwei Lehren können wir dennoch aus der kleinen Affäre ziehen. Erstens: Saufen bis zum Abwinken gehört bei Agrarpolitikern zu den Dienstpflichten. Zweitens: Fälsche nie eine Kneipenrechnung, wenn es nicht nötig ist.

„Wir sind am Mittag nach der Tagung noch etwas auf dem Deich in Dangast spazierengegangen“, so erinnert sich der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Stolze, von Haus aus ebenfalls Landwirt. „Exklusiv war das nun nicht, wo wir dann eingekehrt sind, Bier und Korn haben wir getrunken, was gibt's da sonst.“ In Funkes Heimatort direkt am Jadebusen sind die Preise noch zivil. Ein kleines Bier ist im Kurrestaurant für 2 Mark 30, ein Korn für 2 Mark zu haben. Auf genau 405 Mark und 70 Pfennig lautet die Rechnung jenes Agrarier-Nachmittages vom 26. Juni. Eine Zeche über 99 kleine Bier und 89 Korn kann man in Dangast mit dieser Summe begleichen. An die genaue Zahl der fröhlichen Agrarier kann sich Stolze verständlicherweise nicht mehr erinnern. Acht Mitglieder zählt der agrarpolitische Arbeitskreis der SPD-Fraktion, als Trinker hinzu kommt noch der Minister selbst. Einige Referenten seien wohl auch noch dabeigewesen, meint Stolze.

Mit der Begründung, die SPD- Landtagsabgeordneten würden ohnehin Reisekosten und Spesen aus der Landeskasse erstattet bekommen, hat sich der zuständige Jurist im Landwirtschaftministerium später geweigert, den Gegenwert von Funkes Bier- und Korn- Runden nach Dangast zu überweisen. Erst daraufhin forderte Funkes persönlicher Referent ein zweites Exemplar der Rechnung an, trug diesmal wahrheitswidrig als Teilnehmer der Runde „Landwirte aus dem Landvolkverband Friesland“ ein. Der Minister zeichnete dies mit seinem Kürzel „Fu“ als „sachlich richtig“ ab. Die verfälschte Rechnung wurde erneut eingereicht, ging aber prompt an den Landesrechnungshof weiter. Die Staatswaltschaft Hannover allerdings konnte an dem derart manipulierten Beleg „nun wirklich nichts strafrechtlich Relevantes“ finden. Von einer Doppelerstattung des Kneipenbesuchs könne keine Rede sein. Die Parlamentarier könnten in ihrer Spesenabrechnung nur Verpflegungskosten geltend machen. Darunter fallen Korn und Bier – mag man letzteres auch in Dangast als flüssiges Brot bezeichnen – nun einmal nicht. Funkes Referent hat sich demnach nur eine „schriftliche Lüge“ zuschulden kommen lassen, die nicht strafrechtlich, sondern allenfals dienstrechtlich relevant ist. Schon die erste noch korrekte Besäufnis- Rechnung hätte sehr wohl aus Landesmitteln bezahlt werden müssen, stellte der Staatsanwalt fest. Inzwischen kommt die Landeskasse allerdings zu spät. Funkes Frau hat die Zeche ihres Mannes bereits beglichen. Jürgen Voges