■ Mit Kubas Ausverkauf auf du und du
: Braver Klassenfeind

Havanna (taz) – Privatfernsehen im sozialistischen Kuba? Auslandskapital macht auch das möglich. Spanische Investoren haben sich bei der kubanischen Radio- und Fernsehanstalt ICRT eingekauft. Ihr erklärtes Ziel ist ein privates Fernsehstudio, das aus Havanna sendet und via Satellit ganz Lateinamerika erreichen kann. Mit einer Ausnahme allerdings: Ob Kubas erstes Privat-TV auch für den Empfang auf der Insel selbst bestimmt sein soll, blieb bei der Vorstellung des Joint- venture-Projekts in Havanna offen.

Die Öffnung Kubas für ausländisches Kapital schreitet voran, und an interessierten Investoren ist kein Mangel. Die sozialistische Insel, 90 Meilen vor der Küste Floridas, ist ein vielversprechender Standort, die Arbeitskräfte sind qualifiziert, die Löhne absurd niedrig. Und die Regierung Fidel Castros, die einst mit revolutionärer Rücksichtslosigkeit die imperialistischen Ausbeuter enteignet hatte, offeriert das Land heute auf dem Silbertablett.

35 Jahre nach der Revolution wird das Auslandskapital zum Hoffnungsträger des Socialismo cubano. 165 Joint-ventures gibt es bereits auf der insel, 200 weitere Projekte werden zur Zeit verhandelt. Selbst der Immobilienmarkt ist inzwischen für ausländische Investoren geöffnet.

Ein neues Joint-venture-Gesetz soll im nächsten Jahr verabschiedet werden. Nach wie vor strebt Kuba allenthalben Gemeinschaftsunternehmen an, nicht ausländische Direktinvestitionen. Die Übergänge sind jedoch fließend. Bereits jetzt gibt es – wenn auch als Ausnahmen – Joint-ventures genannte Projekte, die zu 100 Prozent mit ausländischem Kapital finanziert werden.

Die meisten Investoren kommen bislang aus Spanien. Für US-Unternehmen ist der kubanische Markt tabu, solange das Embargo Washingtons jeglichen Handel mit der Insel verbietet. Interesse besteht dennoch: Delegationen von nicht weniger als 69 US-amerikanischen Firmen kamen allein im ersten Halbjahr dieses Jahres zu Gesprächen auf die Insel, gab die kubanische Regierung bekannt.

Noch müssen die US-Firmen allerdings warten – oder Umwege finden. Daß der Weg nach Kuba oft über den Nafta-Partner Mexiko führt, ist ein offenes Geheimnis. Auf der Handelsmesse, die im November in Havanna veranstaltet wurde, war die massive Präsenz Mexikos denn auch unübersehbar.

Abgesehen vom Tourismus nimmt sich das Kuba-Engagement deutscher Unternehmen bislang noch ziemlich bescheiden aus. Die Berührungsängste schwinden jedoch, auch wenn noch nicht laut darüber geredet wird. Mit beträchtlicher Diskretion verhandeln zur Zeit jedenfalls einige deutsche Konzerne über größere Investitionen auf der Insel. Die Regierung in Bonn steht hilfreich zur Seite: Ein Investitionsschutzabkommen mit Kuba soll schon Anfang nächsten Jahres unterschriftsreif sein. Bert Hoffmann