Masturbation ist „out“

■ US-Präsident Clinton feuert seine Gesundheitsministerin Elders

Miami/Berlin (AFP/taz) – Schulische Aufklärung über Selbstbefriedigung ist in den USA nicht sehr gefragt: US-Präsident Bill Clinton hat seine Gesundheitsministerin Jocelyn Elders am vergangenen Freitag zum Rücktritt gezwungen, nachdem sie mit ihrem Eintreten für die Behandlung von Masturbation im Schulunterricht einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte. Clinton erklärte am Rande des Amerika-Gipfels, der am Wochenende in Miami stattfand, die Aussagen von Elders stünden im Widerspruch zur Politik der Regierung und zu seinen eigenen Überzeugungen.

Elders, eine langjährige politische Weggefährtin Clintons, war seine höchste Beraterin in Gesundheitsfragen. Sie war 1987 als erste Schwarze Gesundheitsministerin im US-Bundesstaat Arkansas geworden, als Clinton dort Gouverneur war.

Der US-Präsident ging nicht näher auf die Äußerungen von Elders ein, aber Mitarbeiter des Weißen Hauses verteilten einen Text mit deren Erklärungen. Bei einer Veranstaltung aus Anlaß des Welt- Aids-Tages am 1. Dezember hatte die Gesundheitsministerin demnach gesagt, es sei nötig, „unseren Kindern die Dinge beizubringen, die sie wissen müssen“. Selbstbefriedigung sei Teil der menschlichen Sexualität und sollte deshalb vielleicht ins Lehrprogramm aufgenommen werden.

Regierungsvertreter in Miami und Washington dementierten Vermutungen, der Rücktritt von Elders sei ein Zugeständnis Clintons an die Republikaner, die ab Januar in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit haben und sich die Verteidigung „traditioneller moralischer Werte“ auf die Fahnen geschrieben haben.

Elders, deren Sohn im August wegen Kokainhandels zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, war von republikanischer und konservativer Seite wiederholt kritisiert worden, weil sie für die gesetzliche Freigabe von Drogen, die Verteilung von Kondomen an Schulen und für ein liberales Abtreibungsrecht eintrat. Schon im Juni 1987 hatten Republikaner-Abgeordnete ihren Rücktritt gefordert.

Aber auch innerhalb der Demokratischen Partei war die streitbare Gesundheitspolitikerin umstritten. Bei der katholischen Bevölkerung, die bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen mehrheitlich für Clinton stimmte, erregte Elders im Rahmen der Abtreibungsdebatte Anstoß mit der Bemerkung, Katholiken seien „in den Fötus verliebt“. Von der traditionell konservativen Mittelklasse in den USA hängt für Clinton möglicherweise die Entscheidung über seine Wiederwahl 1996 ab.