■ Das neue Kriegsspiel „Laserdrom“ ist unter Beschuß
: „Piff – you are hurt!“

Recklinghausen (taz) – Im Westen nichts Neues. Links hinten ist eine massive Artilleriegranate standsicher an die Kette gelegt. Schräg darüber zeigt sich auf einem Poster ein aufgetauchtes U-Boot in voller Fahrt. Daneben senkt ein Helikopter im Kampfeinsatz rasant die Nase. Und modisch braun erhebt ein Leo zwo seine Kanone aus dem Schlamm.

Die Cafeteria des Laserdroms, stadtweit geschmähter Kampfplatz junger Freizeitkrieger, ist immer friedlich ruhig. In diesem Vorraum trennen die angespannten jungen Recken noch zwei Türen bis zum gespielten Tod auf Raten.

Am Montag, kurz nach sechs Uhr abends, sitzen die Laserkrieger lässig an den Tischen. Nur wenige spielen sich an den aufgestellten Videospielen warm. Ein Trupp fleecebewamster junger Männer hat die Laserschlacht schon hinter sich, Restschweiß verdampfend werten die Jungs ihren Kampfeinsatz aus. Nach dem Geballer bleibt ihnen nur wenig Spielraum für ihre Kriegslegenden, denn jeder Teilnehmer erhält seine Trefferquote schwarz auf weiß mitgeteilt. Als Computerausdruck. Aber wer in der Laserforce kämpfen will, der muß kräftig löhnen: 15 Mark knöpft der Laserdrom-Betreiber Ralf Langkau seinen Kriegsspiel- freiwilligen ab – für eine schnöde Viertelstunde Schlachtengetümmel. „Schließlich haben wir hier sehr viel Geld investiert, rund 700.000 Mark, und ich bin Geschäftsmann“, erklärt der Goldkettchenträger frei heraus. Frank, ein Fan der ersten Stunde, fühlt sich jedoch nicht übervorteilt: „Ich bin fast jeden Tag hier“, erzählt der Auszubildende, „es gibt selten einen Tag, an dem ich nicht den High Score habe.“ Eines Sonntagnachmittags hat Frank sogar seinen Vater in die Arena mitgenommen, „der interessiert sich für Technik, Computer und so. Danach war der Mann wirklich begeistert“.

Dergleichen kann man von der Recklinghäuser Ratsfrau Bärbel Korun nicht behaupten. Die Lokalpolitikerin würde „sogar etwas Ungesetzliches tun, um diese Einrichtung zu verhindern“. Sie akzeptiert den einmaligen Freizeitspaß „genausowenig wie Videotheken und Spielhallen“. Weil auch derartige Einrichtungen immerzu Horte des Bösen seien. Auf Fernsehern oder Monitoren dargestellte „Formen von Sex und Gewalt“ findet die Inquisitorin „nicht hinnehmbar, denn in diesen Zeiten können Kinder und Jugendliche bekanntlich kaum noch zwischen Schein und Wirklichkeit unterscheiden“.

Wolfgang Pantförder nimmt für sich die Unterscheidungsfähigkeit des Volljährigen in Anspruch: „Im Laserdrom wird der Vorgang des Tötens verharmlost“, empört sich der örtliche CDU-Fraktionsvorsitzende, „schrecklich, das Töten findet dort sogar im Familienverband statt.“ Völlig betroffen mißbilligt auch der Recklinghäuser Stadtrat einstimmig die Existenz des Laserdroms sowie „alle Spiele, in denen Tötungshandlungen simuliert werden“. Mit der beschlußförmigen Ächtung von Spielen wie „Cowboy und Indianer“ oder „Räuber und Gendarm“ stehen die Provinzpolitiker nicht allein. Der Law- and-order-Mann Manfred Kanther, Bundesinnenminister, verkündete schon zu Jahresanfang, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die umstrittenen Ballerbuden zu verbieten.

Doch seien wir mal ehrlich: Spielzeugpistolenschützen werden grundsätzlich nicht zu Massenmördern, weil sie Spielzeugpistolenschützen waren. Trotzdem behaupten die Betroffenheitsfuzzis gerne das Gegenteil. Und sehen in neuen Spielformen, etwa Computerspielen oder Laserdroms, schon wieder den Anfang vom Ende der Menschheit.

Dabei stellt sich auch im Spielzeug nur der weltanschauliche und technologische Entwicklungsstand einer Epoche dar, wie der Spielexperte Hein Retter bewiesen hat. Zumindest dem Laserdromfan Lars ist das klar. „Wir gehen da ziemlich taktisch ran und spielen im Team“, erklärt er außerdem das Erfolgsrezept des Kampfspiels, „mit gegenseitiger Manndeckung und dunkler Kleidung.“ Zuvor öffnet sich den Kämpfern die Tür zur Waffenkammer. Jan Claude van Damme grinst martialisch von seinem Filmplakat. Gleich geht es hier auf weicher Welle um harte Ziele. Doch erst zwängt sich die Kleinarmee ins Blinkerkleid. Damit sie in der Arena gesehen und getroffen werden können, tragen die Schützen auf Brust und Rücken ein Plastikschild mit Leuchtdioden. Sekunden noch, dann werden die Grünen auf die Roten feuern. Und umgekehrt natürlich. Die Tür zur Arena öffnet sich, doch zunächst sieht man nicht viel. Trockennebel nimmt die Sicht, ein Stroboskop wirft etwas Helles. Blendendes Licht. Rote Lichtblitze zucken aus der Deckung. Piff, paff, puff! Plötzlich fistelt die Pistole: „You are hurt.“ Anschließend setzt der Ballermann für ganze drei Sekunden aus. Eine kurze Kampfpause für den Getroffenen. Zeit genug, sich hinter den von der Nebelmaschine glitschig geräucherten Unterständen in Stellung zu bringen. Aus der Nähe zu treffen, das ist einfacher. Denn der Sensor im Leuchtdiodenfeld ist nur daumennagelgroß. Und die Gegner sind permanent auf Achse. Sie sind tatsächlich überall, deswegen sollte ununterbrochen gesichert werde. „You're hurt.“ Das survival of the fittest wird, steigt man volle Kraft drauf ein, bald zum Konzentrationsproblem. Da sind die Heckenschützen, deren Versteck man zwar erahnen kann, aber in vollem Lauf ist keine Deckung.

„Game over“, fisteln die Ballermänner nach dem letzten Gefecht. Verschwitzt und ermattet trotten die Kombattanten hinaus. Im Vorraum stürzt sich Lars auf sein Handtuch. Auch Frank schnauft ein wenig. „Ich mach' nich' mehr als drei Spiele pro Abend“, bekennt er, „damit sich der Streß in Grenzen hält.“ Mit seinem Kumpel Jörn hat Frank eine Unterschriftenaktion für den Erhalt des Laserdroms gestartet. „In knapp drei Wochen haben wir über 700 Unterschriften zusammengekriegt“, erzählt Jörn. „Da sind sogar welche aus Herne, Dortmund, Gelsenkirchen und Duisburg dabei.“

Nicht nur wegen dieser Solidaritätsbekundung dürfte es der Stadt schwerfallen, das Laserdrom rechtsverbindlich zu schließen. Es ist nämlich alles in Ordnung. „Die Baugenehmigung ist völlig o.k.“, brüstet sich der Betreiber Langkau, „selbst wenn die Stadt mein Ding provisorisch zumacht, müßten die mir Schadenersatz zahlen.“ Da ist was dran: Bis jetzt haben zuständige Gerichte noch nicht endgültig geklärt, wie das seit Jahren in den Niederlanden und Großbritannnien etablierte Laserspiel anzusehen ist. Handelt es sich um ein Bewegungs- und Fangspiel, wie der bayrische Verwaltungsgerichtshof meint? Oder widerspricht die Schießerei der Menschenwürde, weil sie „Vergnügen durch simulierte Tötungshandlungen bereiten will“, wie das Oberverwaltungsgericht Rheinland- Pfalz urteilt?

Die Laserfans haben dazu eine klare Haltung. „Es macht uns einfach Spaß“, sagt Jörn, „und vor allem lernt man dabei Leute kennen.“ Zumal für Jugendliche in Recklinghausen sonst nicht viel geboten wird. „Die Jugendzentren hier laufen mehr schlecht als recht“, sagt die Grüne Sabine Feyerabend. Und Lars spricht davon, daß in Recklinghausen um Mitternacht gerade mal eine Kneipe auf hat. In solchen Städten rechnen sich Spielhallen und Videotheken. Oder eben ein Laserdrom. Thomas Meiser