Gericht hebt Demo-Verbot beim EU-Gipfel auf

■ Großdemonstration darf nun doch am Samstag stattfinden / Gelsenkirchener Verwaltungsgericht gibt linkem Bündnis Recht / Polizei prüft Rechtsmittel dagegen

Essen (taz) – Im Eilverfahren hat gestern das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht das Demonstrationsverbot während des EU- Gipfels am Samstag in Essen aufgehoben. Die von einem breiten linken Bündnis getragene Demonstration war von der Polizei wegen der erwarteten Teilnahme einer „großen Zahl von autonomen, extremistischen und gewaltbereiten“ Personen verboten worden. Durch deren Präsenz werde der friedliche Protest „unterwandert und letztlich in einen aggressiv-militanten Aufzug umfunktioniert“. Erfahrungen bei den Demonstrationen in München (Weltwirtschaftstreffen) und Bremen (Nationalfeier am 3. Oktober) zeigten das.

Mit Blick auf das Brockdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichts lehnten die Gelsenkirchener Verwaltungsrichter diese Argumentationskette ab. Ein Verbot einer friedlich angelegten Demonstration komme nur ausnahmsweise in Betracht, „weil sonst Minderheiten es in der Hand hätten, die Realisierung der Versammlungsfreiheit durch friedliche Veranstalter und Teilnehmer faktisch außer Kraft zu setzen“. Sofern eine gesicherte Gefahrenprognose lediglich den Schluß auf „einzelne Ausschreitungen“ zulasse, „scheidet ein Verbot aus“. Die Polizei könne in diesem Fall durch Auflagen und Vorkontrollen die Gefahren reduzieren. Gegebenenfalls sei immer noch eine „Versammlungsauflösung“ möglich. Den Essener Verstaltern gehe es gerade nicht um die Verhinderung des EU-Gipfels, sondern um eine politische Demonstration. Das kooperative Verhalten der Demonstrationsleitung und die „Hinnahme“ von sicherheitsrelevanten polizeilichen Auflagen, werteten die Richter als Beleg für deren friedliche Absicht. Die von der Polizei zitierten Aufrufe vermeintlicher autonomer Gruppen müßten sich die Veranstalter nicht zurechnen lassen.

Die Veranstalter des „Gegengipfels“ reagierten erleichtert auf den Gerichtsbeschluß. Hans Peter Leymann-Kurtz, Ratsmitglied der Grünen in Essen und einer der Kläger, warf der Polizei vor, „eine Strategie der Kriminalisierung“ verfolgt zu haben: „Das Verbot diente von Anfang an der Verunsicherung und Kriminalisierung.“ Jetzt wollen die Veranstalter erneut Gespräche mit der Polizei aufnehmen, um einen „ruhigen Verlauf“ sicherzustellen. Auch die Autonomen sind daran laut einer Presseerklärung „von Autonomen aus dem Revier“ interessiert. Man werde sich auf der Demo „defensiv verhalten“, um politische Inhalte nach außen tragen zu können. Ein Verbot werde man aber „nicht akzeptieren“. Die Veranstaltungen des „Gegengipfels“ beginnen heute abend in der Essener „Zeche Carl“. Walter Jakobs