„Ich kann nicht anfangen zu zaubern“

■ St. Paulis Leonardo Manzi ist auch heute abend in Homburg nur zweite Wahl Von Rainer Schäfer

Für Leonardo Manzi lief es schon besser. Auch heute abend wird der Pauli-Stürmer beim Gastspiel in Homburg (19.30 Uhr) auf der Ersatzbank kauern, obwohl mit Darek Schubert ein Offensivspieler ausfällt. Kein neues Gefühl für den 25jährigen Brasilianer: Die ganze Saison war bislang eine einzige Misere. Wochenlang schlug sich Leeooo mit einer verhärteten Wade herum und kam in der laufenden Saison nur zu zwei Kurzeinsätzen. „Meine schwerste Zeit in Hamburg“, sagt Manzi nachdenklich.

Während seiner Genesung begann Manzi, sich für die bolivianische Kinderrechtsbewegung Defensa de Ninos Internacional zu engagieren, die ihn um Mithilfe gebeten hatte. „Wir versuchen durch den Fußball Kinder von der Straße zu holen.“ Ein fast aussichtsloses Unterfangen, aber immerhin ein Versuch.

Die brasilianischen Politiker hingegen haben die Massenarmut bislang nur halbherzig bekämpft. Ob es unter dem neuen, Anfang Oktober gewählten Präsidenten, dem Sozialdemokraten Fernando Cardoso, besser werden wird? Manzi bezweifelt, daß der sein Wahlversprechen, die horrende soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen, einlöst: „Die meisten brasilianischen Politiker sind korrupt und wollen sich nur bereichern.“ Er hält den klaren Verlierer, Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT, für den besseren Kandidaten: „Der kämpft für die Armen.“

Seit fünfeinhalb Jahren lebt Manzi in Hamburg. „Rassismus ist hier schlimm“, resümiert Leo. Unverständlich bleiben ihm die Beweggründe: „Viele Deutsche sagen, ihr Ausländer verdient unser Geld, trinkt unser Bier und sind deswegen sauer.“ Daß die brasilianische Mentalität mit der deutschen nur bedingt harmoniert, ist für ihn längst sichere Erfahrung: „In Brasilien sind viele Menschen arm, aber zufrieden. Den meisten Deutschen geht es gut und sie sind dennoch unzufrieden. Ich hasse das.“ Im Umfeld des Millerntorstadions sieht er dieses Anspruchsdenken weniger stark ausgeprägt. Ein Grund, warum er sich hier „wohlfühlt“.

Auch deshalb, weil der FC St. Pauli „der etwas andere Fußball-Klub“ ist? „Das wirklich Besondere sind die Fans“, relativiert Publikumsliebling Manzi, „so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“ Auch nicht in Brasilien, deren Anhänger ja als die begeisterungsfähigsten weltweit gelten.

Zur Zeit haben die Paulianer jedoch wenig Gelegenheit, ihn zu feiern: Nur zweite Wahl ist der „große Brasilianer mit der kleinen Technik“, eine Bezeichnung, die er reichlich unpassend findet. „Ich könnte mehr Technik zeigen, doch St. Pauli ist eine Kämpfermannschaft und da kann ich nicht einfach anfangen zu zaubern.“ Trotz dieser Fähigkeiten ist seine Zukunft am Millerntor ungewiß: „Wenn ich fit bin, gehöre ich in die Mannschaft. Ich möchte hier bleiben.“

Die Entscheidung liegt erneut beim Präsidium, das Leo schon vor drei Jahren einen Vereinswechsel nahelegte: „Damals habe ich gesagt, entweder St. Pauli oder kein anderer deutscher Verein.“ Das ist inzwischen anders: Falls sein Vertrag im Sommer nicht verlängert wird, könnte er sich auch einen Wechsel zu einem Hamburger Amateur-Klub vorstellen. „Oder ich gehe nach Brasilien zurück, um als Jugendtrainer zu arbeiten.“