10.000 Mark in großen oder kleinen Scheinen?

■ Prozeß gegen zwei Männer, die mit gefälschten Kreditkarten 5 Millionen Mark ergaunert haben / Aufklärungsrate bei Kreditkartenbetrug verhältnismäßig hoch

Ob Drake Will, Larry Tucker, Paul Rau, Dale Sandobal, Mark Willis James Milton oder Fidel Lara – welche Identität Thomas Alexander F. auch wählte, auf die Bankangestellten wirkte der 47jährige von Grund auf seriös. „Jawohl Mister Will, möchten Sie zehntausend Mark in großen oder kleinen Scheinen?“

Bei Kunden mit der goldenen Visa- oder Mastercard-Kreditkarte überschlagen sich die Bankangestellten vor Freundlichkeit. Denn die Regel, die Sein und Haben in Relation setzt („Haste was, biste was“), wiegt nirgendwo schwerer als in dem Bereich, wo die Bedeutung des Menschen über den Umfang seiner Brieftasche definiert wird: im Bankenwesen. Da die Goldenen Kreditkarten der Plastikgeldanbieter vorwiegend Millionären und ähnlich Reichen zur Verfügung gestellt wird, sind die Anbieter und Angestellten gehalten, besonders zuvorkommend zu den VIP-Kunden zu sein.

So war es für den aus dem schottischen Perth stammenden Alexander F. möglich, Anfang 1992 an einem Tag in Berlin insgesamt 17 Banken aufzusuchen und mittels gefälschter Kreditkarten rund 130.000 Mark zu erschwindeln. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, gemeinsam mit seinem Partner, dem 46jährigen Israeli Ilan E., weltweit operiert sowie in Japan, Hongkong, Israel und der Schweiz mehr als drei Millionen US-Dollar ergaunert zu haben.

Der Gebrauch von Doubletten, wie im Fall der beiden derzeit vor dem Landgericht Berlin angeklagten Täter, spielt nach Auffassung des Leiters der Kripo-Dienststelle Scheck- und Kreditkartenbetrug, Hauptkommissar Harald König, keine große Rolle. „Derartige Fälle sind glücklicherweise noch relativ selten. Aber der Kreditkartenbetrug boomt weiterhin.“

So habe es zwischen 1988 und 1992 einen permanenten Anstieg in diesem Bereich der Kriminalität gegeben. Während der Scheckbetrug stagniere, verzeichne seine Behörde bei Plastikgelddelikten eine 20prozentige Steigerungsrate. Im vergangenen Jahr seien es sogar 25 Prozent gewesen.

„Es war erschreckend einfach!“ erklärt der an den ehemaligen Staatschef Michail Gorbatschow erinnernde Alexander F., der immer wieder durch seine Höflichkeit auffällt, weil er seine Sätze meist mit einem „Sir“ beendet. Dann erzählt er dem Richter, wie er im Dezember 1991 seinen Tatkumpanen Ilan E. kennengelernt hatte. Damals ging es ihm finanziell schlecht, und der Israeli schlug ihm vor, mit Kreditkarten zu arbeiten. Gemeinsam mit Ilan E. flog er nach Manila, wo er die Brüder Jimmie und Noel Gomez kennenlernte. Diese waren mit seinem nun mitangeklagten Freund Ilan E. geschäftlich verbunden. Der in Los Angeles ansässige Israeli war einige Monate zuvor mit einem Bekleidungsgeschäft in den Vereinigten Staaten pleite gegangen und schuldete seinen asiatischen Geschäftspartnern, den Gebrüdern Gomez, rund 100.000 US-Dollar. Nach den Angaben von Ilan E. stammte von ihnen die Idee, seine Schulden durch Mithilfe bei einem großangelegten Kreditkartenbetrug abzuarbeiten.

Von Manila aus flogen Alexander F. und Ilan E. mit einem der Gomez-Brüder nach Frankfurt/ Main und mieteten sich im Sheraton Hotel ein. Gleich am nächsten Tag begannen sie mit der Abzocktour. Die Pässe und die Kreditkarten bekam Alexander F. erst kurz vor der Bank ausgehändigt und mußte sie vor Gebrauch jeweils mit einer Unterschrift versehen. Dann mußte er den Höchstbetrag abheben. Das Geld steckte Ilan E. ein, der auch die Pässe und die Kreditkarten verwaltete, nachdem der Filipino Gomez wieder nach Manila zurückgekehrt war. Obwohl es keine Schwierigkeiten gab, stand Alexander Thomas F. unter erheblichem Druck: „Ich hatte große Furcht, erwischt zu werden“, erinnerte sich der Schotte und gibt zu, daß er jedesmal froh war, wenn er abends ins Hotel zurückkehren und sich ins Bett legen konnte. Für seine Bemühungen erhielt er am Ende der 150 Einsätze rund 120.000 US-Dollar.

Die Möglichkeiten des Betrugs sind vielfältig und umfassen den Mißbrauch verlorener und gestohlener Karten, betrügerische Kartenanträge, betrügerische Verwendung von Kartennummern und Fälschungen. Häufig wandern Kreditkarten ohne Umweg über den Besitzer direkt in die falschen Hände. Bereits jede vierte Karte, mit der Unbefugte Geld oder Wertgegenstände ergaunern, ging zuvor irgendwo auf dem Postweg verloren. Mit sogenannten Postwegverlusten habe er öfter zu tun, erzählt Hauptkommissar König und erinnert an den Fall einer kürzlich überführten Postangestellten, die nachweislich mehr als ein Dutzend Kreditkarten aus der Post gefischt haben soll. Bisher festgestellter Gesamtschaden: 50.000 Mark. Doch Vorschläge der Polizei, die Plastikkarten nur noch per Einschreiben zu verschicken, sind bislang am Widerstand der Kreditkartenunternehmen gescheitert.

Visa International rühmt sich indes, eine Vielzahl von neuen Sicherheitsmaßnahmen eingeführt zu haben, die in den vergangenen zwölf Monaten das Schadensvolumen bei dem Frankfurter Plastikgeldverteiler um 52 Prozent, von rund 18 Millionen Mark auf knapp 9 Millionen Mark jährlich, gesenkt haben. So wurde zum Beispiel der abhebbare Höchstbetrag (Floor-limits) an den bei Kartenbetrügern gerne frequentierten Tankstellen gesenkt. Darüber hinaus wurde den Servicepartnern der Erwerb von Terminals erleichtert, mit denen Händler die elektronischen Autorisierungen der Karten prüfen können. Außerdem sind weitere Sicherheitsmaßnahmen in Vorbereitung.

Nach Auskunft von Bruno Richter, dem General Manager von Visa International Frankfurt, testet man derzeit in einem Feldversuch die Möglichkeit, versandte Karten erst dann zu aktivieren, wenn der rechtmäßige Kartenbesitzer den Empfang bestätigt hat. Damit reagiert Visa auf die steigende Anzahl von Kreditkarten, die auf dem Postweg „verlorengehen“. Darüber hinaus unterhält Visa ein Betrugs-Informationssystem (Fraud Information System), eine Datenbank, auf die angeschlossene Mitglieder gegen eine Schutzgebühr Zugriff haben. Diese Datenbank wird täglich mit Informationen über betrügerische Aktivitäten in der Region aktualisiert.

Nicht zuletzt wegen dieser und ähnlicher Systeme ist die Aufklärungsquote bei Kreditkartenbetrug verhältnismäßig hoch. Häufig hilft auch der Zufall – wie bei dem Duo Alexander Thomas F und Ilan E. Die beiden wurden erst festgenommen, nachdem es in einer Berliner Bankfiliale Unklarheiten hinsichtlich der Echtheit der vorgelegten Ausweis-Dokumente gab. Alexander Thomas F. ließ den honduranischen Paß auf den Namen Jesus N. samt der dazugehörigen Kreditkarte in der Bankfiliale zurück und flüchtete. Damit hatte die Kriminalpolizei ein verwertbares Fahndungsfoto, das einige Wochen später zur Festnahme der beiden Kreditkartenbetrüger führte. Peter Lerch